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Blindes Vertrauen

Blindes Vertrauen

Titel: Blindes Vertrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brown Sandra
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Interview persönlicher. »Mrs. Merritt, wir alle haben miterlebt, wie Sie und Präsident Merritt bei der Beisetzung Ihres Sohnes gelitten haben.« Nun folgten Beerdigungsszenen. »Jetzt haben Sie ein Vierteljahr Abstand gewonnen. Die Wunden sind bestimmt noch nicht verheilt, aber ich weiß, daß unser Publikum an allen Gedanken interessiert wäre, die Sie mit ihm zu teilen bereit sind.«
    Vanessa überlegte einen Augenblick. »Mein Vater sagt immer: ›Ein Unglück ist eine gut getarnte große Chance.‹ Daddy hat wie immer recht«, meinte sie mit flüchtigem Lächeln. »David und ich haben das Gefühl, stärker geworden zu sein – einzeln und als Paar –, weil wir bis zu den Grenzen unserer Leidensfähigkeit belastet worden sind und diese schwere Prüfung bestanden haben.«
    Â»Bockmist.« Er knüllte das Handtuch zusammen und warf es quer durchs Schlafzimmer. Dann griff er nach der Fernbedienung, weil er nicht länger zuhören wollte.
    Aber er schaltete das Gerät nicht aus. Vanessa sagte eben: »Der Präsident und ich hoffen, daß Eltern, die diese Tragödie gerade erleben, durch unser Beispiel und das von anderen Hinterbliebenen neuen Mut und Trost finden. Das Leben geht weiter.«
    Bondurant drückte fluchend auf den Ausschaltknopf.
    Vorgefertigte Antworten – unterzeichnet, gesiegelt und Vanessa zugestellt, damit sie sie auswendig lernte und nachplapperte. Von Dalton Neely aufgesetzte Phrasen. Vielleicht auch
von Clete Armbruster, Vanessas Vater. Vielleicht sogar vom Präsidenten, wobei das letzte Wort bestimmt Spencer Martin gehabt hatte.
    Aber trotz aller Proben und Verbesserungen vor dem Interview waren es nicht Vanessas Worte geworden. Okay, sie hatte sie gesprochen – aber nicht spontan, nicht aus tiefster Seele. Ihm war nicht klar, ob die Reporterin mit der sexy Stimme wußte, daß sie reingelegt worden war. Vanessa war so gut programmiert wie eine Sprechpuppe mit einem Chip im Kopf. Ihre innersten Gefühle preiszugeben wäre nicht schicklich gewesen. Und ganz bestimmt wäre es taktisch nicht klug gewesen.
    Bondurant, der den Eindruck hatte, die Wände seines Schlafzimmers rückten immer enger zusammen, stiefelte in die Küche hinaus, um sich ein Bier zu holen, und ging damit auf die Veranda vor dem Haus. Die drei Meter tiefe überdachte Veranda erstreckte sich über die gesamte Breite des Hauses. Er ließ sich in seinen Schaukelstuhl mit der Sitzfläche aus Binsengeflecht fallen und hob die Bierdose an den Mund. Die Muskeln und Sehnen seines sonnengebräunten Halses bewegten sich, als er mit einem Zug die halbe Dose leerte.
    Es sah wie eine Bierwerbung aus. Mit einem Foto, auf dem er mit bloßem Oberkörper in dieser ländlichen Umgebung Bier trank, hätten sich Millionen Dosen jeder Biermarke verkaufen lassen, aber das war ihm nicht bewußt, und es wäre ihm auch gleichgültig gewesen. Er wußte, daß er anderen Leuten imponierte, aber er hatte sich nie die Mühe gemacht, die Ursachen dafür zu analysieren. Eitelkeit war ihm fremd – erst recht hier draußen, wo er seit einem Jahr lebte und manchmal wochenlang keine Menschenseele zu Gesicht bekam. Er rasierte sich höchstens einmal, wenn er nach Jackson Hole fuhr. Vielleicht aber auch nicht.
    Er war, wie er war. Das mußte seine Umgebung akzeptieren.
Diese Einstellung, die er wortlos jedem vermittelte, der ihm begegnete, war einer der Gründe, weshalb er in der Szene in Washington oft angeeckt war. Er war froh, ihr nicht mehr anzugehören. Vertraute des Präsidenten mußten eine gewisse Anpassungsfähigkeit besitzen; Gray Bondurant war ein Nonkonformist.
    Mit blauen Augen, die hart und kalt wie ein Gletscher waren, starrte er die schneebedeckten schroffen Gipfel der Teton Range an. Obwohl sie kilometerweit entfernt waren, sahen sie zum Greifen nahe aus. Majestätische Schneegipfel in seinem Vorgarten. Phantastisch.
    Gray zerdrückte die leere Bierdose wie dünnes Kaugummipapier. Er wünschte sich, er könnte die Uhr um zehn Minuten zurückdrehen. Warum war er nicht noch etwas länger draußen geblieben, bevor er reingegangen war, um sich zu waschen? Welcher Zufall hatte ihn veranlaßt, dieses spezielle Programm zu diesem speziellen Zeitpunkt einzuschalten?
    Er wünschte sich, er hätte das Interview nie gesehen. Besten Dank, Barrie Travis, wer zum Teufel du

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