Blindes Vertrauen
Beileidskarte geschrieben. Ich dachte, es wäre nett, mal mit ihr zu reden.«
»Versuch es nächstes Mal lieber mit einem Geistlichen.«
»Du machst aus einer Mücke einen Elefanten, David.«
»Warum hast du mir euer Treffen verschwiegen, wenn es so unwichtig war?«
»Es war unwichtig, bis sie mich um ein Interview vor laufender Kamera gebeten hat. Vorher war es keiner Erwähnung wert. Sie hat mir versprochen, dieses Gespräch streng vertraulich zu behandeln. Ich habe jemanden gebraucht, eine Frau, mit der ich reden konnte.«
»Worüber?«
»Worüber wohl?« schrie Vanessa.
Sie sprang vom Liegesofa auf, griff sich das Weinglas und leerte es trotzig.
Er hatte groÃe Mühe, sich zu beherrschen. »Du bist nicht du selbst, Vanessa.«
»Da hast du verdammt recht, das bin ich nicht. Also wäre es für dich besser, wenn du heute abend ohne mich hingehst.«
Der Empfang zu Ehren einer Goodwill-Delegation aus Skandinavien sollte ihr erster offizieller Auftritt nach Robert Rushtons tragischem Tod sein. Eine kleine, elegante Abendgesellschaft schien den richtigen Rahmen für Vanessas Rückkehr ins öffentliche Leben zu bieten. Nach dem Tod des Babys hatte sie sich ganz daraus zurückgezogen. Aber ein Vierteljahr war genug. Die amerikanische Wählerschaft muÃte sie wieder in Aktion sehen.
»Natürlich kommst du mit«, sagte der Präsident. »Du wirst die Ballkönigin sein. Das bist du immer.«
»Aber â¦Â«
»Kein aber mehr! Ich habâs satt, dich dauernd entschuldigen zu müssen. Damit muà endlich Schluà sein, Vanessa. Alles liegt jetzt zwölf Wochen zurück.«
»Gibtâs für Trauer ein Zeitlimit?«
Er ignorierte die Schärfe in ihrem Tonfall. »Heute abend bewährst du dich wie das Vollblut, das du bist. Du brauchst nur wie früher zu lächeln und charmant zu sein, dann ist alles in Ordnung.«
»Ich hasse diese Leute, die mich mitleidig und vorwurfsvoll anstarren und nicht wissen, was sie sagen sollen. Und wenn jemand doch etwas sagt, ist es so trivial, daà ich kreischen könnte!«
»Du dankst ihnen einfach für ihre Beileidsbekundungen und läÃt es dabei bewenden.«
»Gott!« rief sie mit versagender Stimme aus. »Wie kannst du einfach weitermachen, als sei nichts â¦Â«
»Weil ich muÃ, verdammt noch mal. Und du muÃt auch.«
Er funkelte sie so aufgebracht an, daà sie aufs Sofa zurücksank und angstvoll zu ihm aufblickte.
Er wandte sich ab. Als er weitersprach, klang seine Stimme wieder ganz beherrscht. »Dein Abendkleid gefällt mir. Ist es neu?«
Sie senkte den Kopf und lieà die Schultern hängen. Er beobachtete sie im Spiegel und erkannte in diesen reflexartigen Bewegungen das Eingeständnis ihrer Niederlage. »Ich habe abgenommen«, murmelte sie. »Aus meinem Kleiderschrank paÃt mir nichts mehr.«
In diesem Augenblick wurde angeklopft. Er durchquerte den Raum und öffnete die Tür. »Hey, Spence. Sind die Leute bereit für uns?«
Spencer Martin, genannt Spence, sah über Davids Schulter in den Raum. Beim Anblick Vanessas und des leeren Weinglases auf dem niedrigen Tischchen neben dem Sofa kehrte er Davids Frage um. »Seid ihr bereit für die Leute?«
Der Präsident tat die Besorgnis seines Beraters mit einer Handbewegung ab. »Vanessa hat einen leichten Anfall von Lampenfieber, aber sie schafft es ja immer.«
»Vielleicht haben wir sie zu sehr gedrängt. Wenn sie sich dieser Sache nicht gewachsen fühltâ¦Â«
»Unsinn. Sie schafft es.« Er drehte sich zu seiner Frau um und bot ihr seinen Arm. »Gehen wir, Darling?«
Vanessa stand auf und kam langsam auf sie zu, ohne einen der beiden Männer direkt anzusehen.
Zu Davids Charakterzügen gehörte die Eigenschaft, einfach zu ignorieren, was er nicht wahrhaben wollte â zum Beispiel die unausgesprochene Aversion zwischen seiner Frau und seinem
Chefberater. Um das peinliche Schweigen zu überspielen, fragte er: »Ist sie heute abend nicht schön, Spence?«
»Das ist sie wirklich, David.«
»Danke«, antwortete Vanessa steif. Als sie auf den Korridor hinaustraten, nahm sie den Arm ihres Mannes und erkundigte sich: »Was soll Dalton Barrie Travis mitteilen?«
»Dieser Reporterin Barrie Travis?« warf Spencer ein. »In welcher Sache mitteilen?« Er warf dem
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