Blindes Vertrauen
auch bist. Jetzt würden ihn die Erinnerungen an David, Vanessa und das Baby, das im Kinderzimmer des WeiÃen Hauses gestorben war, wieder tagelang verfolgen.
Am meisten ärgerte ihn, daà das Interview die Ãffentlichkeit dazu führen konnte, sich wieder für ihn zu interessieren. Die Leute würden anfangen nachzudenken, Vermutungen anzustellen, die Punkte miteinander zu verbinden. Und dann wäre die ScheiÃe wieder am Dampfen.
Â
David Merritt tigerte vor seinem Schreibtisch im Oval Office, seinem Amtszimmer, auf und ab. Die Ãrmel seines Hemdes waren bis zu den Ellbogen aufgekrempelt; beide Hände waren tief in den Hosentaschen vergraben. Unter einer vorwitzigen
Locke war seine Stirn zerfurcht. »Davon habâ ich noch nie gehört. Was zum Teufel ist das?«
»Das Münchhausen-Syndrom bedeutet, daà man sich durch selbst zugefügte Schmerzen Aufmerksamkeit und damit Befriedigung verschafft.«
»Ich dachte, das sei Masochismus«, meinte Spencer Martin.
Dr. George Allan zuckte mit den Schultern und goà sich einen weiteren Scotch aus dem Privatvorrat des Präsidenten ein. »Das ist nicht mein Fachgebiet, und ich habe mich nicht allzu gründlich damit befaÃt.«
»Barrie Travis schon«, stellte Merritt fest. Es klang wie ein Tadel, und der Arzt faÃte seine ÃuÃerung auch so auf.
Dr. Allan wirkte leicht zerknirscht, als er jetzt sagte: »Und stellvertretendes Münchhausen-Syndrom meint Fälle, in denen der Schmerz anderen zugefügt wird â typischerweise einem Kind.«
»Was hat das mit Krippentod zu tun?« fragte Merritt. »Warum hat Barrie Travis sich so eingehend damit beschäftigt?«
Der Arzt nahm hastig einen Schluck Scotch. »Weil bei Erwachsenen, die daran leiden, manchmal extreme Reaktionen vorkommen. Um sich Aufmerksamkeit und Mitgefühl zu sichern, verletzen sie ihre Kinder oder bringen sie sogar um. In einigen rätselhaften Todesfällen von Kleinkindern, die bisher als plötzlicher Kindstod gegolten haben, wird jetzt wegen Mordverdachts ermittelt.«
Der Präsident murmelte einen Fluch und lieà sich hinter seinem Schreibtisch nieder. »Warum hat diese Travis-Kuh sich nicht ans Thema halten können, statt solche Horrorgeschichten aufzutischen? Schenken Sie mir auch einen ein, ja?«
Der Arzt tat wie geheiÃen.
»Danke.« Merritt trank nachdenklich einen kleinen Schluck
Scotch und beobachtete dann Spencer. Was er sah, gefiel ihm nicht. Spencer befand sich in seinem Denkmodus, und der Gegenstand seiner Ãberlegungen war beunruhigend.
»Vielleicht hätte ich Vanessa nicht zureden sollen, dieses Interview zu gewähren«, meinte der Präsident.
»Da bin ich anderer Meinung. Was kann es geschadet haben?« fragte Dr. Allan.
»Mein Gott, George, das müÃten Sie am besten wissen!« sagte Merritt gereizt. »Seit dieser gottverdammten Serie ist sie wieder völlig hysterisch.«
»Es fällt allmählich auf«, warf Spencer ruhig ein. Merritts scharfer Blick verlangte Namen. »Das Personal, Sir. Die Leute nehmen die Stimmungsschwankungen der First Lady wahr und sind um sie besorgt.« Im Beisein von Dritten, selbst wenn es nur Dr. Allan war, gab sich Spencer Martin dem Präsidenten gegenüber eher förmlich.
Merritt sah mit vorwurfsvoller Miene zu dem Arzt hinüber.
»Ich kann ihre Stimmungsschwankungen nicht mit Medikamenten behandeln, wenn sie weiter so viel trinkt«, rechtfertigte Dr. Allan sich.
Merritt bohrte sich die Fingerknöchel in die Augenhöhlen. »Diese Trinkerei wirft Clete mir auch ständig vor. Ich erinnere ihn dann daran, daà sie ihr Baby verloren hat. Rechnet man noch ihre generelle Verfassung mit ein, ist es eigentlich kein Wunder, wenn sie ein biÃchen labil ist.«
»Auf eine Tragödie reagiert jeder Mensch anders«, stellte der Arzt fest, der hilfreich zu sein versuchte. »Manche Leute stürzen sich in ihre Arbeit, weil sie hoffen, sich so zu erschöpfen, daà sie nicht mehr die Kraft haben, sich damit zu befassen. Andere Leute finden zu Gott, zünden Kerzen an und beten. Manche â¦Â«
»Verstehe, verstehe«, knurrte Merritt. »Bloà mein Schwiegervater kapiertâs nicht.«
»Wenn Sie wollen, rede ich mit ihm«, bot Spencer ihm an.
Der Präsident lachte â ein humorloses Bellen. »Clete kann Sie nicht leiden, Spence. Sie sind der letzte
Weitere Kostenlose Bücher