Blindes Vertrauen
Präsidenten einen fragenden Blick zu.
»Sie hat Dalton um ein Interview mit Vanessa gebeten.«
»Zu einem bestimmten Thema?«
»Krippentod«, antwortete der Präsident.
Â
Barrie war noch richtiggehend aufgedreht. Die Worte sprudelten aus ihr hervor wie Wasser aus einem geborstenen Hydranten.
»Ich habe also mit meinem Begleiter in der Gästeschlange gestanden. Nein, nein, kein Grund zur Aufregung. Er ist ein schwuler Freund, der sich noch nicht geoutet hat. Wir haben uns gegenseitig einen Gefallen getan. Er hatte eine Einladung zu dem Empfang und brauchte eine Begleiterin, und ich hatte Gelegenheit, persönlich mit dem Präsidenten und der First Lady zu sprechen.
Schön, ich schiebe mich also mit der Gästeschlange weiter und benehme mich ganz cool und blasiert, und als ich vor dem Präsidenten stehe, ergreift er meine Hand mit beiden Händen â Ehrenwort! â und sagt: âºMiss Travis, vielen Dank, daà Sie gekommen sind. Es ist uns immer ein Vergnügen, Sie im WeiÃen Haus begrüÃen zu können. Sie sehen heute abend bezaubernd aus.â¹
Tatsächlich habe ich den genauen Wortlaut vergessen, aber jedenfalls bin ich nicht wie eine Fremde, eine flüchtige Bekannte
oder auch nur wie eine gewöhnliche Reporterin behandelt worden. Barbara Walters hätte nicht herzlicher begrüÃt werden können.«
Cronkite gähnte und machte es sich mitten auf ihrem Bett bequemer.
»Langweile ich dich?« fragte Barrie. Sie machte eine Pause, um Luft zu holen. »Du scheinst nicht zu erkennen, was für ein Riesenerfolg es ist, daà die First Lady das erste Exklusivinterview seit dem Tod ihres Kindes mir gewährt.
Ãbrigens hat der Präsident die Sache noch vor mir angesprochen. Er hat gesagt, Mrs. Merritt habe ihm von meiner Serie über den plötzlichen Kindstod erzählt. Er halte sie für eine ausgezeichnete Idee und habe die First Lady gedrängt, sich daran zu beteiligen. Er hat mich dafür gelobt, daà ich die Ãffentlichkeit auf dieses traurige Phänomen aufmerksam mache, und mir seine und Mrs. Merritts volle Unterstützung versprochen. Ich bin⦠Nun, ich willâs mal so ausdrücken: Wäre das Sex gewesen, hätte ich mehrfache Orgasmen gehabt.«
Sie stieg ins Bett zu Cronkite, der zwei Drittel der Fläche beanspruchte und keine Handbreit zur Seite rückte. Während sie sich am Matratzenrand ausstreckte, fügte sie hinzu: »Wenn Howie das bloà miterlebt hätte!«
4. Kapitel
Er wuÃte, daà sein Fernseher lief, aber er nahm ihn nur als Hintergrundgeräusch wahr, bis er die vertraute Stimme hörte. Sie veranlaÃte ihn, vom Waschbecken aufzuschauen, in dem er sich das Gesicht mit kaltem Wasser wusch. Er griff sich ein Handtuch und trat aus dem Bad um die Ecke ins Schlafzimmer.
»⦠das Präsident Merritt und Sie unglücklicherweise mit Tausenden von anderen Paaren gemeinsam haben.«
Die Fernsehjournalistin kannte er nicht. Sie war um die DreiÃig, vielleicht etwas älter. Schulterlanges rotbraunes Haar. GroÃe Augen und volle Lippen, die Spaà versprachen, obwohl Augen und Lippen jetzt nicht lächelten. Auffällig rauchige Stimme, ungewöhnlich für eine Fernsehjournalistin; die meisten redeten, als hätten sie alle dieselbe Akademie für sterile Aussprache absolviert. Ihr Name war am unteren Bildschirmrand eingeblendet: Barrie Travis. Aber dieser Name sagte ihm nichts.
»Es hat den Präsidenten und mich sehr erstaunt, wie viele Familien von dieser Tragödie betroffen sind«, sagte Vanessa Merritt gerade. »Allein in unserem Land sind es jährlich fünftausend.«
Dieses Gesicht und diese Stimme erkannte Gray Bondurant; sie waren ihm so vertraut, daà er sofort merkte, daà Vanessa für das Interview sorgfältig präpariert worden war. Ihre Hände blieben bescheiden auf ihrem SchoÃ, als seien ihr Handbewegungen verboten. Und ihr Mienenspiel war sorgfältig einstudiert.
Die Interviewerin leitete jetzt zu einem Statement von Dr.
George Allan über, der als Arzt der Familie Merritt die traurige Pflicht gehabt hatte, Robert Rushton Merritt in seinem Kinderzimmer im WeiÃen Haus für tot zu erklären. Dr. Allan führte aus, die medizinische Wissenschaft versuche noch immer, die Ursachen des plötzlichen Kindstods zu isolieren, um VorbeugungsmaÃnahmen empfehlen zu können.
Dann wurde das
Weitere Kostenlose Bücher