Blindlings
bestürzt an. »Aber warum? Du kannst vor morgen früh die anderen Flüsse doch nicht überqueren.«
Ich warf einen Kieselstein ins Wasser. Es war nicht zu erkennen, ob er Kreise zog, da die schnelle Strömung sie sofort verwischte.
»Falls auf das Prickeln in meinem Nacken irgendein Verlaß ist, dann gibt’s Ärger.« Ich drehte mich um und zeigte auf den Weg, den wir gekommen waren. »Und ich nehme an, er kommt aus dieser Richtung. Wenn wir schon übernachten müssen, dann lieber auf der anderen Flußseite.« Elin warf einen zweifelnden Blick auf den Strudel mitten im Fluß. »Das wird gefährlich.«
»Hier zu bleiben ist wahrscheinlich noch gefährlicher.« Mich beschlich ein Gefühl des Unbehagens, das vielleicht nur von meinem Widerwillen herrührte, in einer Sackgasse zu sitzen, aus der es kein Entrinnen gab. Das hatte mich auch veranlaßt, die Askja zu verlassen, und deswegen wollte ich diesen Fluß jetzt überqueren. Vielleicht erwachte auch nur mein ausgeprägter Sinn für Taktik wieder, den ich so lange vernachlässigt hatte. Ich fügte hinzu: »In einer Viertelstunde wird es noch gefährlicher sein. Komm, laß uns losfahren.«
Danach prüfte ich, ob sich die Stelle, an der der Fahrweg im Fluß endete, tatsächlich am besten zum Überqueren eignete.
Das war notwendig, stellte sich jedoch hinterher als reine Zeitvergeudung heraus. Sowohl flußauf-als auch flußabwärts war es unmöglich, den Fluß zu durchqueren; entweder war das Wasser zu hoch oder der Uferdamm zu steil. Ich beschloß, mich an die übliche Furt zu halten, und hoffte auf festen Untergrund. Ich legte den ersten Gang ein und fuhr langsam ins Flußbett. Das schnell dahinströmende Wasser wirbelte um die Räder, und die hohen Wellen schwappten gegen die Wagenseite. In der Flußmitte war es am tiefsten, und ich rechnete jeden Augenblick damit, daß es unter der Tür hereindringen würde. Die Strömung war so stark, daß ich ein paar Sekunden lang - und bei dem Gedanken sträubten sich mir die Haare - spürte, wie der Wagen seitlich wegrutschte und mit einer seltsam schlingernden Bewegung abzutreiben drohte.
Ich trat das Gaspedal durch und versuchte, seichteres Wasser und das gegenüberliegende Ufer zu erreichen. Die Vorderräder gruben sich ins Flußbett, aber das Heck des Wagens hob sich buchstäblich an und trieb ab, so daß wir schließlich mit der Breitseite am Ufer ankamen und mühsam über einen mit Moos überwucherten Lavahügel krochen, während das Wasser vom Land-Rover herabströmte wie bei einem Hund nach seinem morgendlichen Bad.
Wieder auf dem Fahrweg angelangt, holperten und schlingerten wir über die Lava. Als wir schließlich auf einigermaßen festem Grund waren, schaltete ich den Motor ab und sah Elin an. »So. Weitere Flüsse überqueren wir heute nicht mehr. Der eine reicht. Es lebe der Vierradantrieb.«
Elin sah etwas mitgenommen aus. »Das hätte schiefgehen können«, wandte sie ein. »Beinahe wären wir flußabwärts getrieben worden.«
»Es ist aber gutgegangen«, erwiderte ich und ließ den Motor wieder an. »Wie weit ist es bis zum nächsten Fluß? Wir übernachten dort und überqueren ihn in der
Morgendämmerung.«
Sie konsultierte die Karte. »Gut anderthalb Kilometer.« Wir fuhren weiter und kamen bald an Fluß Nummer zwei, den das Schmelzwasser des Vatnajökull ebenfalls hatte anschwellen lassen. Ich bog ab und fuhr auf eine Felsgruppe zu, hinter der ich den Land-Rover parkte, so daß er weder vom Fluß noch vom Weg aus zu sehen war – was lediglich eine taktische Vorsichtsmaßnahme war. Ich war verärgert. Es war noch nicht spät, und uns standen noch mehrere Stunden Tageslicht zur Verfügung, die wir gut zum Weiterfahren hätten benutzen können, wären die verdammten Flüsse nicht gewesen. Aber nun blieb uns nichts anderes übrig, als bis zum nächsten Morgen zu warten in der Hoffnung, daß der Wasserspiegel sinken würde. Ich sah Elin an.
»Du siehst müde aus. Das war ein harter Tag für dich.« Sie nickte bedrückt und stieg aus, wobei sie ihren rechten Arm zu schonen schien. »Wie geht es deiner Schulter?« fragte ich. Sie zog eine Grimasse. »Sie ist steif.« »Dann sehe ich sie mir besser mal an.« Ich machte das Klappverdeck des Land-Rovers zu und stellte Wasser auf. Elin setzte sich und versuchte, ihren Pullover auszuziehen. Es gelang ihr nicht, weil sie den rechten Arm nicht heben konnte. Ich half ihr dabei. Obwohl ich sehr behutsam vorging, stöhnte sie vor Schmerz auf.
Vernünftigerweise
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