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Blindlings

Blindlings

Titel: Blindlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Desmond Bagley
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trug sie keinen Büstenhalter, da der Träger genau auf die Verletzung gedrückt hätte. Ich nahm den Verband ab und betrachtete die Wunde. Sie war rot und entzündet, aber Gott sei Dank war kein Eiter zu sehen.
    »Ich habe dir ja gesagt, daß es ziemlich weh tun würde«, bemerkte ich. »So eine Schramme kann höllisch schmerzen –
    sei bloß nicht so schrecklich heldenhaft. Ich weiß, wie sich das anfühlt.«
    Sie kreuzte die Arme über der Brust. »Hast du auch schon mal so was gehabt?«
    »Ich hab mal einen Streifschuß über die Rippen verpaßt bekommen«, erwiderte ich, während ich warmes Wasser in eine Tasse goß. »Ah, daher die Narbe.«
    »Bei dir ist es schlimmer, weil der Trapezmuskel was abbgekommen hat, und den bewegst du dauernd. Du solltest deinen Arm in eine Schlinge legen. Ich werd mal nachsehen, ob ich was Geeignetes finde.« Ich wusch die Wunde aus und legte einen neuen, mit Penicillinpuder bestäubten Verband an.
    Dann half ich ihr wieder in den Pullover. »Wo ist dein Schal -
    der neue, wollene?« »In der Schublade dort.«
    »Mit dem wird es gehen.« Ich nahm ihn heraus und legte ihn ihr so um, daß die verletzte Schulter so wenig wie möglich bewegt werden konnte. »Setz dich hin und schau mir beim Kochen zu.«
    Ich fand, daß dies der richtige Zeitpunkt war, um die
    ›Schatzkammer« zu öffnen - den Kasten, in dem wir die bescheidene Kollektion wirklicher Delikatessen für besondere Gelegenheiten aufbewahrten. Wir hatten beide eine Aufmunterung nötig, und nichts hebt die Lebensgeister mehr als ein erstklassiges Mahl. Ich weiß nicht, ob Mr. Fortnum und Mr. Mason sich darüber im klaren sind, welche Genüsse sie mit ihren Konserven Fremden in fernen Ländern verschaffen, aber nach der Austernsuppe, den gebratenen Wachteln und den in Cognac eingelegten Pfirsichen war ich nahe daran, den Gentlemen ein Dankschreiben zukommen zu lassen. Während des Essens kehrte langsam die Farbe in Elins Wangen zurück.
    Ich achtete darauf, daß sie ihre rechte Hand nicht benutzte. Das wäre auch nicht nötig gewesen, denn die Wachtel war so zart, daß sich das dunkle, zarte Fleisch mühelos mit der Gabel von den Knochen lösen ließ. Anschließend kochte ich Kaffee, wozu wir einen Brandy tranken, den ich als medizinischen Nothelfer ebenfalls mitgenommen hatte.
    Elin nippte an ihrem Kaffee und seufzte. »Fast wie in alten Zeiten, Alan.«
    »Ja«, murmelte ich träge. Ich fühlte mich auch schon wesentlich wohler. »Aber jetzt gehst du besser schlafen.
    Morgen starten wir sehr früh.« Ich rechnete mir aus, daß es um drei Uhr morgens, bei niedrigstem Wasserstand, hell genug sein würde, um loszufahren. Elin sah, wie ich nach dem Feldstecher griff. »Was hast du vor?« fragte sie.
    »Ich will mich bloß mal ein bißchen umsehen. Leg du dich ins Bett.»
    Sie blinzelte schläfrig und gähnte. »Ich bin hundemüde.«
    Das erstaunte mich nicht. Wir hatten eine endlos lange und beschwerliche Fahrt im Ö byggdir hinter uns, die alles andere als ein Vergnügen gewesen war. Meiner Ansicht nach hatten wir kein einziges Schlagloch ausgelassen. »Leg dich hin – ich bleib nicht lange weg.« Ich hängte mir den Feldstecher um, öffnete die hintere Wagentür und sprang heraus. Als ich mich eben auf den Weg machen wollte, fiel mir etwas ein. Ich ging zum Land-Rover, holte das Gewehr heraus und hoffte nur, daß Elin mich nicht beobachtete.
    Zuerst inspizierte ich den Fluß, den wir überqueren mußten.
    Er floß friedlich dahin. Nur einige nasse Steine ließen darauf schließen, daß sich der Wasserspiegel bereits zu senken begann. Im Morgengrauen war es vermutlich eine Kleinigkeit, ihn zu überqueren, und meiner Schätzung nach mußte es uns gelingen, auch alle anderen Flüsse zwischen uns und Sprengisandur zu durchqueren, bevor die anschwellenden Wassermassen dies verhindern würden.
    Ich hängte das Gewehr über meine Schulter und kehrte zu der rund anderthalb Kilometer entfernten Stelle zurück, wo wir den Fluß durchfahren hatten. Ich pirschte mich mit äußerster Vorsicht heran, aber alles wirkte ganz friedlich. Der Fluß floß dahin und gluckerte - nichts Beunruhigendes war zu sehen. Mit dem Feldstecher suchte ich die weitere Umgebung ab, setzte mich dann hin und lehnte mich an einen bemoosten Felsblock.
    Während ich mir eine Zigarette anzündete, begann ich nachzudenken.
    Elins Schulter machte mir Sorgen. Nicht daß ihr Zustand besonders alarmierend gewesen wäre, aber ein Arzt hätte die Wunde besser behandeln

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