Blindwütig: Roman
stieg, sah er so klein aus, dass ich unwillkürlich an Emily und Sarah Clitherow denken musste. Die Möglichkeit, ihn zu verlieren, zog meine Nerven so straff wie Violinsaiten.
Penny schien ewig zu brauchen. Allmählich hatte ich den Eindruck, ihr nicht richtig klargemacht zu haben, wie gefährlich die Lage tatsächlich war und welche Eile sie erforderte.
Das Garagentor war noch nicht offen. Die Tür an der Seite
war abgeschlossen. Milo war hier also in Sicherheit. Dennoch zögerte ich, ihn allein zu lassen.
Penny war allein ins Obergeschoss gegangen. Milo hatte wenigstens Lassie.
»Bleib, wo du bist!«, rief ich ihm zu und rannte ins Haus.
Während ich durch die Waschküche lief, läutete ein Telefon.
Der schrille Rufton klang weder wie der unseres Festnetztelefons noch wie der des Handys in meiner Brusttasche.
In der Küche hörte ich das unbekannte Läuten wieder. Es schien aus der Kammer neben der Tür zur Waschküche zu kommen, in der die Gastherme untergebracht war.
Ein Telefon enthielt diese Kammer hingegen nicht - falls es nicht jemandem gehörte, der sich dort versteckt hatte.
17
In der nächsten Ecke stand ein Kehrbesen, den ich ergriff. Wenn ich meinem Gegner die steifen Borsten in die Augen rammte, dann war das bestimmt so wirksam wie ein Stich mit einem Messer. Letzteres war nicht so nah bei der Hand wie der Besen, und außerdem hätte ich Waxx dann näher kommen müssen, als mir lieb war.
Während der schrille Ton zum dritten Mal erklang, riss ich die Tür der Kammer auf. An der hinteren Wand stand wie erwartet die Gastherme, und der Neonschein der Küchenlampe drang weit genug vor, um erkennen zu können, dass daneben niemand lauerte.
Mit Hilfe des Besens betätigte ich den Lichtschalter und trat in die Kammer, während das Telefon zum vierten Mal läutete.
Ein gewöhnlicher Gasofen stellte für mich ein technisches Geheimnis dar, das mir nicht weniger komplex vorkam als ein Düsenjet und mich nicht weniger einschüchterte als ein Atomreaktor. Meine Unfähigkeit im Umgang mit Mechanismen und Maschinen und mein Misstrauen solchen Dingern gegenüber wurden hier noch dadurch gesteigert, dass unter Druck stehende Gasleitungen vorhanden waren.
Dennoch wusste selbst ich, dass man so eine Therme nicht standardmäßig mit einem Telefon ausstattete. Gesehen hatte ich da auch noch keinen Apparat.
Nun hing da aber ein schnurloses Telefon, von dem mehrere Kabel zu einer merkwürdigen Konstruktion führten, die neben dem Ofen auf dem Boden stand. Zu der bedrohlichen
Apparatur gehörten eine Digitaluhr, auf der die korrekte Zeit angezeigt wurde, und mehrere Gegenstände, die ich womöglich selbst dann nicht hätte identifizieren können, wenn ich Zeit gehabt hätte, sie genauer zu betrachten. Außerdem lag da noch etwas, das aussah wie ein Block Knetmasse für Kinder, allerdings grau und irgendwie ölig.
Beim fünften Läuten leuchtete das Display des Telefons auf, und der Apparat nahm offenbar einen Anruf entgegen. Dann erzeugte - oder empfing - er eine rasche Abfolge verschieden hoher Töne, bei denen es sich um eine kodierte Botschaft handeln mochte.
Auf der Digitaluhr sprang die Anzeige von der korrekten Angabe 07:03:20 auf eine Zeit um, die eindeutig nicht stimmte: 23:57:00.
Obwohl ich sonst keinerlei Ahnung von mechanischen Dingen hatte, wusste selbst ich, dass es nicht in unserem Interesse war, noch im Haus zu sein, wenn die Uhr drei Minuten später anzeigte.
Ohne der heldenhaften Illusion zu unterliegen, ich könnte in der Lage sein, die Apparatur gefahrlos zu zerlegen, zog ich mich rückwärts aus der Kammer zurück und ließ den Besen fallen. Dann rannte ich die Treppe hoch und brüllte dabei: »Penny!«
Als ich die letzte Stufe nahm und in den kurzen Teil des Flurs trat, kam Penny um die Ecke, hinter der es zu ihrem Studio und zum Schlafzimmer ging. Sie trug eine Künstlermappe, die groß genug war, um all die Bilder aufzunehmen, die sie in letzter Zeit für das im nächsten Herbst erscheinende Buch angefertigt hatte.
»Cubby«, sagte sie, »da läutet ein Telefon, aber nicht unseres.«
Unser Haus war mit zwei Gasthermen ausgerüstet, eine für jedes Stockwerk. Als ich die Tür der oberen Kammer aufzog
und das Licht anknipste, sah ich genau dieselbe Vorrichtung wie unten: ein mit einem Block Knetmasse verbundenes Telefon, das automatisch einen Anruf entgegennahm und eine Abfolge unterschiedlicher Töne von sich gab, bei denen es sich bestimmt um einen Code handelte. Dieselbe Sorte
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