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Blink! - die Macht des Moments

Titel: Blink! - die Macht des Moments Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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deutsche »Onkel« Rolf Dittmayer mit Orangensaft von Valensina war. Betty Crocker dagegen wurde 1921 von der Washburn Crossby
     Company in Minneapolis erfunden und verkörperte im Laufe der vergangenen acht Jahrzehnte in zahlreichen, an den Zeitgeschmack
     angepassten Varianten deren Backzutaten und Kochbücher. Das »Raisin Girl« ziert seit 1915 die Rosinenschachteln der Firma
     Sun-Maid (Anmerkung des Übersetzers).

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    |186| Kapitel 6
Sieben Sekunden in der Bronx
    Wie wir die schwere Kunst des Gedankenlesens lernen können
     
    Die Wheeler Avenue im Stadtviertel Soundview in der South Bronx ist eine schmale Straße mit einfachen, zweigeschossigen Wohn-
     und Apartmenthäusern, flankiert von Bäumen und parkenden Autos. Die Gebäude wurden im frühen zwanzigsten Jahrhundert errichtet,
     viele haben eine schmucke, rote Backsteinfassade und eine Treppe von vier oder fünf Stufen, die zur Eingangstür führt. Heute
     lebt hier eine arme Unterschicht, und wo die Straße in die Westchester Avenue, die Haupteinkaufsstraße des Viertels mündet,
     blüht der Drogenhandel. Nach Soundview zieht man, wenn man als Einwanderer nach New York City kommt und eine billige Wohnung
     in der Nähe einer U-Bahnlinie sucht. Deshalb hatte sich auch Amadou Diallo ein Zimmer in der Wheeler Avenue genommen.
    Amadou Diallo kam aus Guinea. Er war ein kleiner, bescheidener Mann, rund 1,65 Meter groß, 70 Kilogramm schwer und 22 Jahre
     alt und lebte seit einigen Monaten im zweiten Stock des Apartmenthauses mit der Nummer 1157. Jeden Tag fuhr er nach Lower
     Manhattan, wo er als Straßenhändler in der Fourteenth Street Videos, Socken oder Handschuhe verkaufte. In der Nacht des 3.
     Februar 1999 kam er wie immer kurz vor Mitternacht von der Arbeit nach Hause. Er unterhielt sich kurz mit seinen Zimmernachbarn
     und ging dann nach draußen, um auf der Treppe des Hauses noch ein wenig frische Luft zu schnappen. Wenige Minuten später bog
     ein ziviles Streifenfahrzeug der Polizei mit vier Polizeibeamten in die Wheeler Avenue. Die vier waren alle |187| Weiße, trugen Jeans, Baseballmützen, Sweatshirts und kugelsicheren Westen, und jeder hatte eine halbautomatische 9-Millimeter-Polizeipistole
     bei sich. Sie waren Teil einer Einheit zur Bekämpfung von Straßenkriminalität, die so genannte Hot Spots in den ärmsten Stadtteilen
     überwachen sollte. Der Fahrer des Wagens hieß Ken Boss und war 27 Jahre alt. Neben ihm saß Sean Carroll, 35, und auf der Rückbank
     waren Edward McMellon und Richard Murphy, beide 26.
    Carroll sah Diallo zuerst. »Langsam, langsam«, sagte er zu Ken Boss. »Was macht der Typ da?« Carroll gab später zu Protokoll,
     ihm seien in diesem Moment zwei Gedanken durch den Kopf geschossen. Einer war, das Diallo einen so genannten Push-In-Raub
     vorhabe, dass er also vorgebe, jemanden im Haus besuchen zu wollen, um sich mit einem der Bewohner durch die Tür ins Innere
     zu drängen. Carrolls zweiter Gedanke war, dass auf Diallo die Beschreibung eines Serienvergewaltigers passe, der im Jahr vorher
     das Stadtviertel unsicher gemacht hatte. »Er hat einfach nur dagestanden«, erinnerte sich Carroll später. »Er hat einfach
     auf dem oberen Treppenabsatz gestanden. Erst hat er seinen Kopf hochgestreckt und ihn dann an die Wand gelehnt. Dann nach
     ein paar Sekunden dasselbe, erst schaut er hoch, dann zur Seite. Als wir näher gekommen sind, hat es so ausgesehen, als würde
     er einen Schritt zurück in den Hausflur machen. So als wollte er nicht gesehen werden. Als wir vorbeigefahren sind, habe ich
     ihn angesehen und mich gefragt: Was ist da los? Was macht der da?«
    Boss hielt den Wagen an und setzte zurück, bis er direkt von dem Haus mit der Nummer 1157 stand. Diallo rührte sich nicht
     von der Stelle, und Carrol sagte später aus, dass ihn dies »überrascht« habe. »Ich hab mir gedacht, da läuft doch garantiert
     was.« Carroll und McMellon stiegen aus, hielten ihre Dienstmarken hoch und McMellon rief: »Polizei! Wir würden uns gern mit
     Ihnen unterhalten.« Diallo gab keine Antwort. Später sollte sich herausstellen, dass Diallo stotterte – vielleicht wollte
     er antworten, konnte aber nicht. Dazu kam, dass er nicht besonders |188| gut Englisch verstand. Es gab das Gerücht, er sei einige Wochen zuvor von einer Gruppe bewaffneter Männer überfallen worden.
     Womöglich war er jetzt zu Tode erschrocken: Es war Nacht, er stand in einem gefährlichen Stadtviertel allein auf der Straße,
    

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