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Blink! - die Macht des Moments

Titel: Blink! - die Macht des Moments Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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sie waren. Als später der
     Notarzt eintraf, war er so verwirrt, dass er nicht sprechen konnte.
    Carroll setzte sich neben Diallos durchlöchertem Körper auf den Boden und begann zu weinen.
    Drei folgenschwere Fehler
    Vielleicht die häufigsten, auf jeden Fall aber die wichtigsten Spontanurteile fällen wir im Hinblick auf Menschen. Wenn wir
     uns in der Gegenwart eines anderen Menschen befinden, versuchen wir fortwährend, Schlüsse über die Gedanken und Gefühle dieses
     Menschen zu ziehen und Vorhersagen zu treffen. Wenn jemand zu uns sagt »Ich liebe dich«, dann blicken wir dieser Person in
     die Augen, um abzuschätzen, ob sie es ehrlich mit uns meint. Wenn wir einen Menschen neu kennen lernen, dann suchen wir oft
     nach kleinsten Signalen, und selbst wenn wir ein normales und freundliches Gespräch geführt haben, denken wir oft am Ende:
     »Ich glaube nicht, dass er mich mag« oder »Ich finde, sie sieht nicht besonders glücklich aus.« Ohne Schwierigkeiten entschlüsseln
     wir kleinste Regungen im Mienenspiel des anderen. Wenn Sie mich zum Beispiel grinsen sehen und feststellen, dass dabei meine |191| Augen funkeln, dann würden sie sofort darauf schließen, dass ich mich über irgendetwas amüsiere. Wenn Sie aber sehen, dass
     ich nicke und den Mund zu einem starren, übertriebenen Lächeln verziehe, dann wüssten Sie, dass ich auf den Arm genommen werden
     sollte und sarkastisch darauf reagiere. Wenn ich mit jemandem Augenkontakt aufnehme, lächele und dann den Blick senke, dann
     würden Sie vermutlich zu dem Schluss kommen, dass ich flirte. Und wenn ich schließlich nach einer Äußerung kurz lächele und
     dann nicke oder den Kopf schief lege, dann wüssten Sie, dass ich etwas recht Hartes gesagt habe und dem die Schärfe nehmen
     möchte. Sie müssten nicht einmal hören, was ich gesagt habe, um das zu erkennen. Sie würden es einfach sehen,
Blink.
Wenn ein einjähriges Kind am Boden sitzt und spielt und Sie etwas Überraschendes tun, zum Beispiel, indem Sie Ihre Hände um
     seine legen, dann wird dieses Kind sofort aufblicken und Ihnen in die Augen sehen. Warum? Weil es für das, was Sie getan haben,
     eine Erklärung sucht und weiß, dass es die Antwort in Ihrem Gesicht findet. Unsere Angewohnheit, die Beweggründe und Absichten
     eines anderen ergründen zu wollen, ist Scheibchenschneiden pur. Wir suchen nach den kleinsten flüchtigen Hinweisen, um die
     Gedanken unseres Gegenüber zu ergründen, und es gibt kaum einen anderen Instinkt, der so einfach und so automatisch wäre,
     und nichts, was wir so mühelos beherrschen. Meistens jedenfalls. Denn in der Nacht des 4. Februar 1999 versagte bei den vier
     Polizisten, die die Wheeler Avenue entlang fuhren, diese grundlegende menschliche Fähigkeit. Sie waren nicht in der Lage,
     Diallos Gedanken zu ergründen.
    Als Sean Carroll sah, dass Diallo auf dem Treppenabsatz stand, fragte er die anderen im Auto: »Was macht der Typ da?« Die
     richtige Antwort wäre gewesen, dass Diallo frische Luft schnappte. Aber Carroll sah ihn an und kam in demselben Moment zu
     dem Schluss, dass er einen verdächtigen Eindruck machte. Das war Fehler Nummer eins. Als sie den Wagen zurücksetzten, rührte
     sich Diallo nicht von der Stelle. Im Prozess sagte Carroll aus, dies |192| habe ihn »überrascht«:
Welche Dreistigkeit besaß dieser Mann,
dass er beim Anblick der Polizisten nicht auf der Stelle davonlief?
Aber Diallo war nicht dreist, sondern bestenfalls neugierig. Das war Fehler Nummer zwei. Als Carroll und Murphy schließlich
     auf Diallo zugingen, sahen sie, dass er sich leicht zur Seite drehte und in seine Tasche griff. Im Bruchteil einer Sekunde
     kamen sie zu dem Schluss, dass er gefährlich war. Aber Diallo war nicht gefährlich, er hatte Angst. Das war Fehler Nummer
     drei. Unter normalen Umständen haben wir keinerlei Schwierigkeiten, in einem einzigen
Blink
zu unterscheiden, ob jemand sich verdächtig verhält oder nicht, ob er frech oder neugierig ist, ob er Angst hat oder für uns
     eine Gefahr darstellt. Jeder, der nachts eine Straße entlang geht, sei sie in einem gefährlichen Stadtviertel oder nicht,
     trifft automatisch diese Art von Soforteinschätzung jeder Person, die ihm begegnet. Warum wurden die vier Polizisten in dieser
     Nacht von ihrem Instinkt im Stich gelassen?
    Die Fehler, die ich hier beschrieben habe, sind keine Seltenheit. Es passiert uns allen immer wieder, dass wir unser Gegenüber
     falsch einschätzen. Hier liegt die Wurzel

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