Blitz bricht aus
konnte die Augen nicht von dem hübschen dunkelbraunen Pferd mit den weißen Füßen wenden. »Ich will sofort anfangen«, sagte er. »Wenn es Ihnen recht ist, komme ich gleich mit.«
Das Pferd wieherte vor Ungeduld, losgelassen zu werden. Als McGregor das hörte, wußte er, daß er den Anfang des Weges, der in seine Vergangenheit führte, gefunden hatte.
ZEHNTES KAPITEL
Ein Schrei in der Nacht
Zwei Wochen später saß McGregor mit Mike und Joe, den beiden Cowboys, die Allen bei ihrem Zusammentreffen begleitet hatten, an einem offenen Campfeuer zusammen. Eine Weile hörte er ihren Geschichten zu. Sie hatten vieles zu erzählen, aber meistens war von ihnen selbst die Rede, und er hatte inzwischen alles schon ein paarmal mitangehört. Sie waren wie fast immer in guter Laune, denn ihre Arbeit war leicht und machte ihnen Freude. Alles, was sie zu tun hatten, war, eine kleine Stutenherde zu bewachen, aufzupassen, daß keins der Tiere entlief oder zu Schaden kam.
Sie hatten Feuer gemacht, weil es schon anfing kühl zu werden, obwohl es noch eine Stunde vor Sonnenuntergang war. Sie befanden sich mit den Pferden auf einer sanft abfallenden, üppig grünen Wiese, die auch eine gute Wasserstelle aufwies. Einige 1 500 Meter hin graste eine große Rinderherde ebenso friedvoll wie die Stuten. McGregor konnte die Gestalten der Männer erkennen, die auf ihren Pferden die große Herde langsam umkreisten. Die erste Woche hatte er bei ihnen verbracht; dabei hatte sich herausgestellt, daß er vom Umgang mit Rindern nicht das geringste wußte. Allen hatte ihm oft bei der Arbeit zugesehen und ihn dann Mike und Joe zugeteilt, die die Stutenherde betreuten. Hier ging ihm die Arbeit flott von der Hand. Man merkte deutlich, daß er sich auf Pferde verstand. Allen sah das mit großem Vergnügen, denn seine erste und beherrschende Liebe galt den Pferden. Ihre Versorgung und die Arbeit mit ihnen wurden auf der Ranch allem andern vorangestellt.
Die Pferdeweide lag auf einem Plateau, das sich sanft neigte. Weiter unten waren noch mehr Rinder und ihre Hirten. Unweit davon stand das Farmhaus mit den Ställen und Koppeln. McGregor sah in der größten Koppel Staub aufwirbeln, ein Zeichen, daß Allen seinen Hengst »Leichtfuß« trainierte. Der Dunkelbraune war Allens größter Stolz. Er hatte ihn als Fohlen gekauft, ihn aufgezogen und dann im Dreihundertmeter-Rennen den Sieg mit ihm errungen. Alle Stuten der Herde sollten von ihm gedeckt werden, in der Hoffnung, daß noch mehr Sieger aus diesen Verbindungen entstehen würden.
Der Junge lag auf seinen Decken auf dem Rücken, die Hände unterm Kopf gefaltet. Er fing einiges aus Mikes Erzählung auf. »... und dann warf mich dieses kleine Pferd so hoch in die Luft, daß ich gegen eine Schwarzdrossel prallte, die gerade über den Ring flog...« McGregor kannte die Geschichte und Joe natürlich erst recht, aber er hörte Mikes prahlerischer Schilderung so aufmerksam zu, als vernähme er sie zum erstenmal. Der Junge warf einen Blick auf die Stuten, um sich zu überzeugen, daß bei ihnen alles in Ordnung war, dann verschloß er seine Ohren vor der Unterhaltung.
Zwei Wochen waren inzwischen vergangen, zwei Wochen auf dem richtigen Weg zurück. Aber wohin würde dieser Weg führen? Würde er Gordon noch einmal Wiedersehen? Ja, sicher; Gordon verwahrte ja das gestohlene Geld. Er mußte es holen, sobald er wußte, wem es gehörte, denn selbstverständlich würde er es dem rechtmäßigen Eigentümer zurückgeben müssen. Aber dann würde er ins Gefängnis kommen. Nur das nicht: Besser, er blieb hier und vergaß die ganze Angelegenheit, wenn man ihn nicht aufspürte.
Es ging ihm langsam besser, seine Kopfschmerzen kamen jetzt nur noch einmal am Tag, manchmal gar nicht, wenn er vorsichtig war und sich nicht überanstrengte.
Seine Gedanken wanderten zu Cruikshank. Er war eingesperrt worden für den Versuch, das arme Pferd zu Tode zu schleifen. Einundzwanzig Tage mußte er hinter Gittern verbringen, und wenn er wieder herauskam, würde er noch verbitterter sein als vorher schon. Doch das ging ihn ja nichts an. Oder doch? Hatte er nicht dazu beigetragen, daß Cruikshank verurteilt worden war, und fühlte er eine Spur von Sympathie für ihn? Nein, ganz und gar nicht. Im Gegenteil, er war froh darüber, daß der Rohling für seine gemeine Handlung bestraft worden war. Doch—war er denn besser als Cruikshank? War er nicht dauernd bestrebt, der Sühne für sein Vergehen auszuweichen? Aber bestand da
Weitere Kostenlose Bücher