Blitz der Hengst des Sonnengottes
das trockene Flußbett führte. In den Felswänden zu beiden Seiten entdeckte er wieder Höhlen, die ihn wie schwarze Augen anzustarren und zu verfolgen schienen.
Endlich weitete sich die Spalte zu einer breiten Schlucht, die hell unter den letzten Sonnenstrahlen lag. Alec blieb aufatmend stehen. Der Schweiß lief ihm in dicken Tropfen über das Gesicht. Nun würde er hoffentlich das Indianerdorf finden, bevor er nichts mehr zu essen hatte.
Über der Schlucht kreisten Adler im Aufwind. Sie waren das erste Zeichen von Leben, dem Alec nach dem Verlassen des Pueblos begegnete. Er sprang auf; er und sein Pferd sollten diesen Aasfressern keine Nahrung bieten.
Der karge Boden, über den sie jetzt gingen, bestand aus Tonschiefer und anderem vulkanischem Gestein. Endlich zwängten sie sich durch einen engen Durchlaß zwischen den Wänden des Cañons ins Freie. Vor ihnen erstreckte sich eine breite Hochebene, flaches, offenes Land. Von der Stelle aus, wo Alec stand, konnte er keine Spur von Leben entdecken. Das blendende Licht der untergehenden Sonne tauchte die trockene Erde in goldene Glut. Irgendwo hier in der Nähe mußte das Indianerdorf liegen.
Alec bestieg Blitz und schlang die Arme um seinen Hals. Obwohl es immer kühler wurde, fühlte er, wie ihm der Schweiß zwischen den Schulterblättern herabrann. Auch nach einem Ritt von mehreren Kilometern war immer noch nichts zu sehen. Doch plötzlich spitzte der Hengst die Ohren und wieherte laut. Jetzt bemerkte auch Alec Rauchfahnen in nördlicher Richtung, die in feinen Spiralen langsam zum Himmel stiegen.
Nur kurze Zeit ritt Alec im Galopp, dann hielt er den Hengst zurück. Im Schritt näherten sie sich einer Klippe von etwa zwölf Meter Höhe, die wie eine kleine Felsenfestung vor ihnen aufragte. Ein offenbar häufig benutzter Pfad führte hinauf, und als Alec ihm folgte, hörte ei Schafe blöken. Oben angekommen, stellte er fest, daß der Boden der Klippe abgeweidet war. Und vor ihm breitete sich eine kleine Mesa mit Wiesen und gepflügten Feldern aus. Dahinter duckten sich niedrige Hütten, zwischen denen sich winzige Gestalten bewegten. Davor lag ein Pferch, von einem roh gezimmerten Zaun umgeben, in dem eine Herde Schafe weidete.
Als Alec sich den Schafen näherte, sprang ein zottiger Köter, der im Sand gelegen hatte, bellend auf ihn zu. Und hinter dem Felsen kam ein Indianerjunge mit einem roten Fetzen um den Kopf hervor, den Alec sofort erkannte.
»Ich habe meinem Stamm erzählt, daß du kommst«, sagte Alph ohne jedes Erstaunen darüber, daß Alec so plötzlich auftauchte. »Es ist genauso gekommen, wie mein alter Vater gesagt hat.«
»Dein alter Vater ist tot.«
»Er ist nicht tot«, antwortete der Junge. »Wir glauben, daß er im Heiligen Pueblo bei seinen Ahnen schläft. Jetzt wirst du uns mit >Schwarzes Feuer< auch dorthin führen, damit wir gerettet werden und leben, um die neue Welt zu schaffen.«
»Ich gehe auf keinen Fall dahin zurück«, sagte Alec. »Aber was hält dich und die Deinen davon ab, wenn ihr es wollt?«
»Es ist heilige Erde. Wir können nur dir und dem schwarzen Feuerroß dahin folgen. So steht es in den Sternen geschrieben.«
Nach diesen Worten wandte der Indianerknabe sich um und lief auf das Dorf zu. Der zottige Hund folgte ihm mit lautem Gebell. Alec ritt hinter ihnen her. Das Dorf bestand aus einer langen Reihe verfallener Adobe-Hütten (Lehmziegel-Hütten), deren Fenster mit hölzernen Läden verschlossen werden konnten. Dazwischen standen mitten im Geröll und zwischen Steinhaufen mit Lehm beworfene Bretterverschläge und Schuppen. Alec grüßte die Frauen und alten Männer, die ihm entgegenkamen und ihn mit Gesten der Freundschaft willkommen hießen. Dann kamen die Kinder — viele Kinder, die fröhlich die Hände ausstreckten und den Hengst berühren wollten. Und wo waren die jüngeren Männer, die Väter dieser Kinder?
Als Alph ihn rief, sah Alec, wie die Ältesten des Stammes sich näherten und Linien aus blauem Sand vor die Hufe des Rappen zogen, wie der alte Mann im unterirdischen Pueblo es getan hatte. Alph stand neben einer großen, hageren Frau. »Dies ist >Wolkentänzerin<, meine Mutter«, sagte er.
Die Frau lächelte und sagte etwas in ihrer Sprache. Alec betrachtete sie. Sie war nicht so alt, wie sie aussah, und mußte einmal sehr schön gewesen sein. Jetzt war ihr Gesicht so hager wie ihr Körper und von Erschöpfung gezeichnet.
»Sie heißt dich in unserem Hause willkommen«, übersetzte der Junge. »Du
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