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Blitz: Die Chroniken von Hara 2

Blitz: Die Chroniken von Hara 2

Titel: Blitz: Die Chroniken von Hara 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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die meisten Schreitenden Zweifel am Geisteszustand des Skulptors und versuchten ihn abzusetzen. Doch mit dieser Wendung der Dinge hatte der Skulptor gerechnet. Alle, die ihm offen Widerstand leisteten, wurden von ihm und seinen wenigen Anhängern auf der Stelle im Ratssaal getötet. Die anderen verschonte er jedoch. Dieser Fehler kostete ihn am Ende das Leben. Er starb bei einem Aufstand, den seine Gegner anzettelten.«
    Bei diesen Worten klappte mir vor Verblüffung der Unterkiefer hinunter.
    »Du hast dich nicht verhört«, versicherte Lahen grinsend. »Vor dem Dunklen Aufstand gab es bereits andere Erhebungen. Nur zieht der Turm es vor, sich darüber auszuschweigen. Heute dürften diese Aufstände kaum noch jemandem bekannt sein, denn seit fünf Jahrhunderten ist es ausschließlich den Bibliothekaren gestattet, die entsprechenden Schriften einzusehen, für alle anderen Schreitenden sind sie tabu. Das ist sozusagen die Lehre, die der Turm aus dem Dunklen Aufstand gezogen hat. Er hält das Wissen jetzt geheim. Aber verlieren wir den Skulptor nicht aus den Augen: Er ist im Schlaf ermordet worden.«
    »Er ist
ermordet
worden? Was war mit seiner Unsterblichkeit?«
    »Wenn dir jemand ein Artefakt ins Herz bohrt, das schon während des Krieges der Kraft existierte, hilft dir selbst deine Unsterblichkeit nichts. Erinnerst du dich noch an den Pfeil, mit dem du die Schreitende ins Reich der Tiefe geschickt hast? Beim Skulptor kam eine ähnliche Waffe zum Einsatz. Sie tötet nicht nur den Körper, sondern auch die Seele. Der Funke erlischt im Handumdrehen. Einen solchen Anschlag konnte nicht einmal der Skulptor überleben. Danach tötete man auch all seine Anhänger. Damit hatten die Gegner des Skulptors buchstäblich über Nacht die Macht an sich gerissen. Nun wollte niemand mehr etwas an der bisherigen magischen Ausbildung ändern. Der Preis für diese Sturheit war, dass viele Geheimnisse zusammen mit dem Skulptor ins Reich der Tiefe eingegangen sind. Darunter auch das der Wegblüten.«
    »Und das ist die Wahrheit?«
    Lahen sah mich streng an, bevor sie widerwillig zugab: »Ich weiß es nicht. So hat Ghinorha es mir zumindest erzählt. Warum fragst du? Erscheint dir die Geschichte unglaubwürdig?«
    »Ja und nein. Du weißt, dass ich den Turm nicht besonders ins Herz geschlossen habe, aber dass er …«
    »Die Schreitenden können auch hassen, fürchten und lügen. Und bei dieser Geschichte hat der Turm gelogen. Er hat alles darangesetzt, die Wahrheit über diese Ereignisse zu verschleiern – und das ist ihm ja auch gelungen, wie du zugeben musst.«
    »Aber warum haben sie dann gleich einen unfehlbaren Heiligen aus dem Skulptor machen müssen?«
    »Weil es Leute mit Verstand sind«, entgegnete Lahen grinsend. »Wenn sie schon lügen, dann richtig. Und das Ergebnis gibt ihnen recht. Alle, die den Funken in sich tragen, bekommen heute von klein auf die Legenden vom Skulptor eingetrichtert. Sie träumen davon, genauso zu werden wie er und den Turm und das Imperium zu verteidigen. Vor allem aber glauben sie, dass es nur einen einzigen richtigen Weg gibt, dieses Ziel zu erreichen. Der Skulptor ist eine Art Leuchtturm für sie, an dem sie sich orientieren – auch wenn er zu Lebzeiten für einen anderen Weg stand.«
    »Aber was haben die Verdammten mit alldem zu tun?«, fragte ich und setzte mich ebenfalls auf den Boden.
    »Dazu wollte ich gerade kommen. Nach dem Tod des Skulptors beruhigten sich die Gemüter wieder. Sicher, einige Schreitende überkam immer mal wieder der Wunsch, den verbotenen Weg einzuschlagen, doch sie scheiterten alle. Wer entsprechende Experimente überlebte, wurde vom Turm getötet. Und diejenigen, die bereits während des Rituals starben, wurden verdammt. Auch damit hatte der Turm Erfolg. Nicht weit von hier gibt es ein Haus, das das Schwarze Haus genannt wird. Dort hat eine der Schreitenden versucht, sich einen Zugang zum Reich der Tiefe zu verschaffen. Seitdem wagt niemand mehr, dieses Haus zu betreten.«
    Ich nickte. Von dem Schwarzen Haus konnte nur ein Tauber noch nicht gehört haben.
    »Nach dem Tod des Skulptors setzte dann jene Phase ein, die als Großer Niedergang in die Geschichte eingegangen ist. Jede neue Generation war magisch schwächer als die vorausgegangene. Irgendwann konnte keine Rede mehr davon sein, dass die Schreitenden gleich ihren Vorfahren Berge versetzten und Meere austrockneten. Die großen Zauber waren in Vergessenheit geraten. Schließlich verlangte eine Gruppe vom Rat,

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