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Blitz: Die Chroniken von Hara 2

Blitz: Die Chroniken von Hara 2

Titel: Blitz: Die Chroniken von Hara 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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ihrer Raffiniertheit in den eigenen Schwanz gebissen. »Zumindest hat sie lange genug gelebt, um dir zu begegnen. Wie ist es dazu gekommen?«
    Lahen stand auf, strich sich über den blauen Rock und sagte, den Blick von mir abgewendet: »Das war ein Zufall. Ich habe in einem kleinen Dorf gelebt. Es war nicht so weit von Reinerwarr entfernt, wie wir es gern gewollt hätten, aber dafür wurden den Bauern keine Steuern abgeknöpft, wenn sie unbesiedeltes Land bearbeiteten. Dort war es zwar nicht durch und durch schlecht, aber es gab auch nur wenig Schönes. Meine Mutter hat mir und meinen Geschwistern verboten, uns weit vom Haus zu entfernen, denn der Wald war nah – und in ihm hausten nicht gerade die freundlichsten Gestalten.«
    Ich hörte ihr zu, ohne sie auch nur einmal zu unterbrechen. Es war das erste Mal, dass Lahen überhaupt von ihrem früheren Leben und von ihrer Familie sprach. Bisher wusste ich nicht einmal, dass sie Geschwister hatte.
    »Meine Gabe machte sich ziemlich früh bemerkbar. Damals war ich kaum ein Jahr alt. Natürlich verstand niemand von uns etwas von Magie. Das Schrecklichste von allem war, dass ich meinen Funken nicht kontrollieren konnte. Doch Meloth sei gepriesen, er loderte nur selten auf. Glücklicherweise war dann nie jemand außer meiner Familie in der Nähe. Als ich jedoch dreizehn Jahre alt wurde, glich das Auflodern bereits dem Ausbruch eines Vulkans. Und einmal sahen alle,
was
ich fertigbrachte.«
    »Haben sie daraufhin eine Schreitende gerufen?«
    »Wenn sie das getan hätten, wäre mein Leben vermutlich anders verlaufen.« Lahen verzog die Lippen zu einem bitteren Grinsen. »Dann wäre ich dir wohl auch nie begegnet. Nein, sie haben keine Schreitende gerufen. Und selbst wenn, so hätte diese wohl nicht fast hundert League zurückgelegt, nur um an diesen unwirtlichen Ort zu gelangen. Aus meiner Familie konnte auch niemand die beschwerliche Reise auf sich nehmen. Es hätte bedeutet, das Haus, die Familie und das unbestellte Feld rund zwei Monate allein zu lassen.«
    »Soweit ich weiß, schreibt das Gesetz des Imperiums aber klar vor, dass man die Schreitenden benachrichtigen muss, wenn ein Kind magische Anlagen zeigt. Hat denn niemand die schwere Strafe gefürchtet, wenn das unterblieb?«
    »In einem Dorf, in dem sich höchstens alle fünf Jahre einmal ein paar Soldaten blicken lassen? Ich bitte dich. Nein, wir waren alle seit Langem daran gewöhnt, die Dinge selbst zu regeln. Außerdem hat nie jemand verstanden, dass ich über die Gabe verfügte. Im Dorf hat man mich als Ausgeburt aus dem Reich der Tiefe geschmäht, mich aller Todsünden beschuldigt und den wilden Tieren zum Fraß vorgeworfen!«
    Die letzten Worte schrie sie fast.
    »Tut mir leid«, sagte ich und bedauerte, diese Frage überhaupt aufgeworfen zu haben. Ich stand nun ebenfalls auf und umarmte sie. »Ich hätte nicht …«
    »Schon gut. Ich musste das alles einmal erzählen. Wenigstens einem Menschen«, flüsterte sie, während sie ihre Finger in meinen Oberarmen vergrub, bis es schmerzte. »Ich trage das schon viel zu lange mit mir herum. Willst du hören, wie es weiterging?«
    »Ja. Haben sie dich verstoßen?«
    »Meine Eltern?«, fragte sie zurück. »Nein, wo denkst du hin! Als die Bauern irgendwann bei uns zu Hause auftauchten, hat mein Vater verhindert, dass irgendjemand auch nur ein böses Wort gegen mich sagte. Daraufhin haben sie ihn getötet. Aus Furcht, nehme ich an. Und danach alle anderen. Meine Mutter und meine ältere Schwester. Und meinen kleinen Bruder. Noch heute frage ich mich, was er mit alldem zu tun hatte. Er war doch gerade erst auf die Welt gekommen! Als meine jüngere Schwester und ich flohen, haben sie uns ohne Mühe wieder geschnappt. Was sollten zwei kleine Mädchen auch schon gegen eine Horde wütender Kerle ausrichten? Litha haben sie sofort ermordet. Aber vor mir hatten sie Angst.« Ihre Stimme klang jetzt sehr hart. »Die Dorfältesten haben behauptet, nach meinem Tod würde ein Fluch aus dem Reich der Tiefe den ganzen Ort treffen.«
    »Und was haben sie dann gemacht?«, fragte ich und hielt den Atem an, weil ich die Antwort fürchtete.
    »Mich verprügelt«, antwortete sie ruhig. »Mir die Rippen und beide Arme gebrochen. Diese … Schweine, die mein Vater bis dahin für seine Freunde gehalten hatte. Ich erinnere mich noch undeutlich, wie sie mich in den Wald geschleift und an einem Baum aufgehängt haben. Irgendwann habe ich das Bewusstsein verloren. Als ich wieder zu mir kam,

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