Blitz: Die Chroniken von Hara 2
Nachdem ich fertig war, bat sie mich, ihr noch etwas Wasser zu trinken zu geben. »Wohin fahren wir?«, fragte sie mit einem Mal erschrocken, denn ihr war offenbar eingefallen, wohin wir uns auf den Befehl der Mutter begeben mussten.
»Nicht in die Goldene Mark«, beruhigte ich sie. »Dash wollte lieber nicht aufs offene Meer raus oder nach Süden fahren. Da dürfte die Nabatorer Flotte lauern. Und die kontrolliert jetzt alle Schiffe. Unser Kapitän hat aber was dagegen, dass jemand von denen über seinen Kahn latscht. Deshalb steuert er zunächst Grohan an. Die
Feuergeborene
hält sich dicht am Ufer. In ein paar Tagen wird er nach Westen abdrehen, uns aber vorher im südlichen Teil der Bluttäler an Land lassen. Von dort aus brauchen wir mit Pferden nicht länger als zwei Wochen bis ins Regenbogental. Damit erreichen wir unser Ziel zu Beginn des Herbstes.«
»Wir haben aber keine Pferde«, hielt sie dagegen.
»Wir werden schon welche finden«, sagte ich. »Erinnerst du dich noch, dass Shen wieder aufgetaucht ist?«
»Ja. Wo ist er denn?«
»Er leidet, seit er an Bord ist!«, schnaubte ich. »Unserm Herrn Heiler bekommt das Meer nicht allzu gut. Deshalb hält er sich die meiste Zeit an Deck auf, nicht hier unten. Die frische Luft lindert seine Qualen ein wenig.«
»Ich kann ihn gut verstehen. In dieser Kajüte kommst du dir ja wie im Bauch eines Walfischs vor. Allerdings eines sehr kleinen Wals.«
»Übertreib nicht!«, erwiderte ich grinsend. »Das ist immerhin die beste all der miesen Kajüten auf diesem grandiosen Kahn! Im Grunde ist es sogar die einzige Kajüte der
Feuergeborenen!
Normalerweise belegt Dash sie mit Beschlag.«
»Hör mal, ich hab dir schon nicht geglaubt, dass er in seiner maßlosen Freundlichkeit auf uns gewartet hat. Willst du jetzt etwa auch noch behaupten, er sei so freundlich gewesen, uns seine …«
»Diese Freundlichkeit ist weniger seiner ureigenen Güte als vielmehr unseren Soren zu danken! Ich hielt es für besser, wenn du die Überfahrt nicht in dem klammen Frachtraum zusammen mit der verdreckten Mannschaft hinter dich bringst. Deshalb hab ich dafür gesorgt, dass uns der Kapitän seine Kajüte abtritt.«
»Da hast du aber ein großes Opfer von ihm verlangt!«, sagte sie und schüttelte theatralisch den Kopf. »In dem klammen Frachtraum …«
»Keine Sorge, den wärmt das Klingeln der Soren in seiner Tasche. Ich hab ihn übrigens auch gebeten, uns Kleidung für dich zu verkaufen. Er hat zwar nur Männerkleidung, aber du findest bestimmt ein paar Sachen, die dir passen.«
»Hast du eigentlich auch für Shen bezahlt?«
»Das musste ich, schließlich war Dash bislang nur mit uns im Geschäft. Hätte ich mich also nicht noch von einem weiteren Teil der Soren getrennt, die uns der Turm gegeben hat, hätte er den Jungen über Bord geworfen. Meiner Ansicht nach sollte der Herr Heiler in seinen jungen Jahren aber noch kein Salzbad nehmen.«
»Ich verkneife mir lieber die Frage, wie viel dir dieser Hai abgeknöpft hat.«
»Du dürftest es dir eh ausmalen können«, hielt ich grinsend dagegen. »Angesichts der Tatsache, dass es in Alsgara mittlerweile heiß hergeht, sind die Preise natürlich in die Höhe geschnellt. Vor dem Krieg hätte diese Summe für ein paar Fahrgäste mehr gereicht.«
»Ach was, vergessen wir das Geld! Außerdem stammt es vom Turm, nicht von uns.«
»Ich werd mal nach Shen sehen«, kündigte ich an und stand auf.
Sie nickte und bettete den Kopf wieder aufs Kissen.
Das schlechte Wetter dachte gar nicht daran abzuziehen. Die
Feuergeborene
entkam seinen Klauen trotz aller Anstrengungen nicht. Bis zum Horizont hingen tiefe, finstere und bleigraue Wolken am Himmel. Aber wenigstens regnete es nicht mehr, Meloth sei gepriesen.
Von Südosten kam ein böiger und kalter Wind. Er blähte die Segel und trieb das Schiff durch die hohen Wellen der aufgewühlten See. Unser Kahn schwankte zwar, aber letzten Endes nicht grauenerregend. Für Shen reichte allerdings auch dieser Wellengang: Er fühlte sich ziemlich elend. Trotz des miserablen Wetters verbrachte er den ganzen Tag an Deck und begab sich erst in den Walfischbauch, wenn die Nacht hereinbrach.
Ich fand ihn am Bug, wo er in einem Segeltuchumhang dasaß, den er den Matrosen abgekauft hatte. Von Weitem wirkte er wie ein aufgeplusterter Spatz. Auf seinem Gesicht lag ein leidvoller Ausdruck. Bei seinem Anblick kamen einem förmlich die Tränen.
»Mach ein kleines Freudentänzchen«, sagte ich ihm. »Übermorgen
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