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Blitz schickt seinen Sohn

Blitz schickt seinen Sohn

Titel: Blitz schickt seinen Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Farley
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sich nicht irren? Warum stand er da und tat nichts? Vielleicht lebte sein Pferd noch... Schnell ging er zum Zaun und versuchte hinüberzuklettern. Zwar rutschten die vom Tau naß gewordenen Gummisohlen seiner Schuhe anfangs ab, dann gelang es ihm, sich hochzuziehen. Von oben folgten seine Blicke den schmalen Riemen, die straff gespannt in das dichte Gebüsch hinter dem Zaun verliefen, und dort — sah er sein Pferd! Ein Aufschrei erstarb ihm in der Kehle. Vulkan lag auf der Seite, halb verdeckt von dem dornigen Gestrüpp, das dort wucherte. Seinen Kopf konnte Alec zunächst nicht sehen; der Körper und die Beine regten sich nicht. Eilig kletterte er auf der anderen Seite am Zaun hinunter. Das zerdrückte Gras und die geknickten Büsche zeigten, daß Vulkan nach dem Sprung über den Zaun darauf aufgeprallt war. Demnach hatte er den Sprung beendet, bevor sich die Lassoschlingen zugezogen hatten. Ein leiser Hoffnungsschimmer stieg in ihm auf. Die Wucht des Sprunges hatte den Hengst vorgeschnellt, so weit die Riemen reichten; dann erst war er zu Boden gerissen worden. Ohne des seine Arme und Beine zerkratzenden Dornengestrüpps zu achten, stürzte Alec vorwärts. Er sah, daß sich die Lassos um einen Strauch gewickelt hatten. Von dort bis zu Vulkans Hals waren sie nicht straff gespannt. Da lag sein Pferd — in großer Not, aber es lebte! Hals und Kopf waren durch die Fesseln in grotesker Weise zurückgerissen. Die eine Schlinge, die um den Hals lief, war nicht fest zugezogen, so daß es mit großer Anstrengung atmen konnte. Die Windungen, die den Kopf umschnürten, hatten sich gelockert. Vor dem krampfhaft nach Luft ringenden Maul stand mit Blut gesprenkelter weißer Schaum. Alec erkannte, daß er in der allerletzten Minute gekommen war — nur wenig später, und Vulkan wäre erstickt! Das Pferd richtete die verglasten Augen auf ihn, als er die Schlinge um den Hals lockerte und dann mit bebenden Händen an der Schlinge um den Kopf zu zerren begann. Mit großer Anstrengung gelang es ihm, sie abzustreifen.
    Schwer atmend blieb Vulkan liegen. »Nun ist es vorbei, nun wird alles wieder gut!« tröstete Alec. Seine Hand strich langsam über den Hals, dann weiter über den naßgeschwitzten riesigen Körper, seine Finger tasteten die Beine entlang... Soweit er etwas davon verstand, war nichts gebrochen, nichts ernstlich verletzt...
    Nach einiger Zeit ging Vulkans Atem ruhiger. Endlich schnaubte er und schüttelte den Kopf. Aufzustehen wagte er noch nicht. Alec streifte ihm die Halsschlinge über den Kopf und warf sie zur Seite; der Riemen hatte tief in die Haut eingeschnitten, auch an der Nasenpartie. Er hoffte inbrünstig, daß der Anschein nicht trog, und daß das wirklich die einzigen Verletzungen waren, die das Pferd sich zugezogen hatte. Wenn sein Rücken und seine Beine tatsächlich heil waren, so war das grausame Abenteuer noch gut abgegangen!
    Vulkan sah ihn jetzt voll an, und einen Augenblick lang wurden seine Augen wieder wild und böse. Alec sah es mit Freude, weil es ihm der Beweis dafür zu sein schien, daß der feurige Geist seines Pferdes ungebrochen war. Lange saß er neben ihm, sprach ihm zu und wischte den Schweiß von dem schaumbedeckten Fell. Nur wenn seine Hände die Striemen an Hals und Nase berührten, ging ein Zittern durch den großen Körper. »Ich will dir ja helfen, mein Freund, nur helfen!« sagte Alec sanft. Jetzt machte Vulkan eine Anstrengung, hochzukommen. Alec beobachtete ihn begierig und hoffnungsvoll. Wenn er tatsächlich wieder auf die Beine kam und laufen konnte, war wohl alles gut. Schmerz gemischt mit Angst und Zweifeln standen in den Augen des Pferdes, als sein Körper erst vor-, dann zurückschwankte. Mit den Vorderhufen stützte es sich auf, während sein Hinterkörper noch lag. »Du kannst es, Vulkan!« ermunterte ihn Alec, »du mußt es versuchen!« Noch einen Augenblick verharrte der Hengst in derselben Stellung mit tief herabhängendem Kopf; dann schien er sich zusammenzureißen, hob den Kopf, zog die Hinterbeine hoch und stand mit einem plötzlichen Ruck auf den Beinen. Alec legte ihm die Arme um den Hals und sprach in die schwarze Mähne hinein. So standen sie lange. Alles war ruhig, nur das Zwitschern der Vögel unterbrach die Morgenstille. Dann trat Alec einen Schritt zurück und sagte: »Ich werde dich pflegen, und bald wirst du wieder ganz gesund sein!« Vulkan hörte unter Alecs streichelnder Hand auf zu zittern. Er straffte sich und warf Alec wieder einen bösen Blick zu.

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