Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blitz schickt seinen Sohn

Blitz schickt seinen Sohn

Titel: Blitz schickt seinen Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Farley
Vom Netzwerk:
schloß das geifernd schnappende Maul. Dann kniete sich Henry auf den Hinterkopf des Pferdes, hielt es so am Boden und wand den Riemen mehrfach um den Kopf, bis zu den Ohren. Schließlich holte er ein Tuch aus der Tasche, band es Vulkan über die flackernden Augen, und befestigte es mit dem zweiten Lasso, so daß das Pferd nichts mehr sehen konnte.
    Nach Luft ringend, verweilte er einen Augenblick, den widerspenstigen Kopf noch unter seinen Knien. »Du hast es so haben wollen, du Scheusal!« keuchte er, »du hast es herausgefordert! Jetzt sollst du lernen, wer der Herr ist!« Dann ließ er Vulkans Kopf los und entfernte sich schnell bis ans Ende der beiden Lassos. Das war nur die erste Runde gewesen — die zweite stand bevor!
    Vulkan erhob sich langsam und schüttelte sich. Er warf den Kopf von einer Seite nach der andern, um sich von der Augenbinde zu befreien. Er schrie auf, und Henry erblaßte vor dem grenzenlosen Haß, der sich in diesem Ton ausdrückte. Dieses Pferd war zu allem fähig; es würde sich sogar zu Tode bringen oder zum Krüppel machen, wenn es keinen anderen Ausweg fand. Einen kurzen Augenblick dachte Henry an Alec; dann mußte er seine Aufmerksamkeit ungeteilt Vulkan zuwenden. Vorsichtig drehte dieser sich jetzt um, in Angst vor dem, was er nicht sehen konnte. Genau so vorsichtig ging Henry um ihn herum und wickelte die beiden Lassos sorgfältig um die Hinterbeine. Plötzlich schnaubte Vulkan und bäumte sich zu seiner vollen Höhe auf. Henry wartete, bis er wieder herunterkam; ehe seine Vorderbeine den Boden berührten und er sein Gleichgewicht wiederfand, zog Henry scharf an den die Hinterbeine umschnürenden Riemen. Vulkan krachte schwer zu Boden, doch ungemein schnell kam er wieder hoch, zitternd, seinen Widersacher suchend. Er machte einen Sprung in Henrys Richtung, doch hatte dieser keine Mühe, dem blinden Pferd auszuweichen. Wieder gelang es dem Alten, die Lassos um des Pferdes Hinterbeine zu legen; als sie sich strafften, zog Henry die Schlingen gewaltsam zu, und zum drittenmal stürzte das Pferd zu Boden. »Es ist keine feine Methode, aber einmal mußt du gehorchen lernen!« murmelte Henry ingrimmig. Ihm war bewußt, daß es nicht lange so fortgehen konnte — entweder wurden Vulkans Trotz und Angriffslust gebrochen, oder sein Körper erlitt Schaden durch die schweren Stürze.
    Vulkan war noch mehrere Male hart zu Boden gegangen. Den alten Mann schmerzten alle Glieder von der Anstrengung, dem wuchtigen Tier immer wieder die Beine unter dem Leib wegzuziehen. Da änderte Vulkan unvermittelt seine Taktik. Er rannte nicht mehr blindlings drauflos, bis die Riemen um seine Beine ihn zu Fall brachten, sondern versuchte, durch Wittern herauszufinden, wo sein Gegner war, stürmte auf Henry los und hielt erst an, als er merkte, daß er am Ende der ihn fesselnden Riemen war. Henry war natürlich inzwischen beiseite gesprungen und stand jetzt hinter ihm. Vulkan drehte sich um und stand still; die Nüstern bebten, die Hufe hatte er förmlich in den Boden gerammt, ehe er erneut in der Richtung der verhaßten Menschenwitterung vorpreschte. Viele Male kam er Henry nahe, und nur Henrys unentwegte Wachsamkeit bewahrte ihn davor, von den wirbelnden Hufen getroffen zu werden. Doch die Zeit verging, und der alte Mann fühlte sich in dem grausamen Spiel erlahmen. Er begann ernstlich daran zu zweifeln, ob es jemals einem Menschen gelingen würde, dieses Pferd unterzukriegen. Seine schweren Stürze hatten offensichtlich nur noch stärkere Haß- und Rachegelüste wachgerufen, und jetzt gierte es erst recht danach, seinen Gegner zu töten... Sollte die Augenbinde sich lösen — mochte es der Himmel verhüten! —, würde Henry wohl kaum’ eine Möglichkeit haben, lebend davonzukommen.
    Als Vulkan wieder auf ihn losstürmte, sah Henry, daß sie sich bei dem langen Hin und Her der Senke genähert hatten. Während er mit knapper Not beiseite sprang, hefteten sich seine Augen auf den großen, allein dort stehenden Baum auf dem Rande des Abhanges. Henry war übermüdet und am Ende seiner Kräfte. Er hatte den Zweikampf verloren, das war ihm bewußt. Vulkan besaß mehr Angriffslust und mehr Heimtücke, als er für möglich gehalten hatte. Vielleicht gelang es ihm, die Lassos an dem Baum zu befestigen und das Pferd so zu fesseln. Das schien ihm der einzig mögliche Ausweg zu sein, dem rasenden Hengst zu entkommen. Gerade bäumte sich Vulkan und raste dann wieder auf ihn los, obwohl er ihn nicht sehen konnte. Oder sah

Weitere Kostenlose Bücher