Blitz und Pam
haben ja aufgeholt.«
Henry drang nicht weiter in ihn. Es war nichts Außergewöhnliches, daß ein Reiter einen Fehler machte, wenn er vom Start abkam, oder gar, daß er Todesangst ausstand. Viele ritten dafür nachher um so tollkühner drauflos — so, wie Alec es getan hatte-, wie wenn sie daraus, daß sie das Schicksal zum Letzten herausforderten, wieder Mut und Kraft schöpfen könnten.
Henry beschloß, das Thema zu wechseln. Sein Blick folgte einem Stallgehilfen, der draußen vorbeiging und einen Fuchs abkühlte, der im letzten Rennen des Nachmittags gestanden hatte.
»Nanu, was für ein Junge ist denn das?« fragte er sarkastisch.
Trotz der schmutzigen Blue jeans, des Trikots und der Spitzmütze war es eindeutig, daß es sich bei dem »Jungen« um ein Mädchen handelte. »Die richtige Größe, aber das falsche Geschlecht«, fuhr Henry fort. Das junge Mädchen war etwa 1,53 Meter groß und 45 Kilo schwer — gerade richtig für einen Reiter. »Schade! Sie wäre gewiß lieber ein Junge«, wußte Henry noch.
»Ich glaube, sie möchte nichts anderes sein, als was sie ist«, warf Alec ein. Er hatte das Mädchen einmal an einem Abend im Vorraum eines Kinos gesehen; damals hatte sie einen kurzen Rock und Schuhe mit hohen Absätzen getragen. Ihr Haar war fein säuberlich gekämmt gewesen — wie die Pferdemähnen, die sie jeweils striegelte. Die harte, schlacksige Jungenhaftigkeit des Tages hatte abends einer mädchenhaften Anmut Platz gemacht. Und der junge Jockey an ihrer Seite, den Alec ebenfalls wiedererkannte, hatte keinen Blick von ihr gewandt, sie stets am Arm geführt und ihr galant alle Türen gehalten. Aber den ganzen Tag über hatte sie ihre Eimer selbst getragen, hatte Boxen ausgekehrt, Pferde und Geschirr geputzt und Wäsche gewaschen.
»Ich habe es gar nicht gerne, wenn sich Mädchen um Reiter herum aufhalten«, sagte Henry. »Schon allein die Tatsache, daß sie Mädchen sind, schafft Probleme, die wir sonst nicht hätten. Sie lenken die Männer von ihrer Arbeit ab und hängen ihre Gefühle an Pferde, einfach an alles.«
»Ist es denn in unserem Geschäft anders als in anderen?«
»Natürlich ist es das! Unser Geschäft ist hart und nichts für Mädchen«, meinte Henry mit Nachdruck. »Ich finde, eine Frau solle eine Frau sein und Mutter und all das.«
Alec hatte das alles schon mehrmals hören müssen. Henry sprach von der Weiblichkeit einer Frau, als achtete er sie, aber er tat es nicht. Alec hatte den Trainer-Veteran schon oft mit Mädchen zusammen auf dem Stallgelände gesehen, und immer war er so streng und autoritär aufgetreten, daß er sie richtiggehend einschüchterte. Vielleicht wollte er ihnen auf diese Weise zu verstehen geben, daß sie hier nichts zu suchen hatten. Er tadelte sie wegen Dingen, die in seinen Augen Unentschlossenheit im Umgang mit Pferden und weibliche Schwäche in der Ausführung der Arbeit waren. Seinem erfahrenen Auge entging ihre Angst, Ermüdung und Nachlässigkeit nie, und er verachtete sie deshalb. Sie ihrerseits haßten ihn.
Alec dachte an Pam und kam zum Schluß, daß dies nicht der geeignete Moment war, etwas von ihrer Anstellung verlauten zu lassen — vorausgesetzt, Henry brachte das Gespräch nicht auf die Farm. Aber zu Pams Verteidigung und zur Verteidigung aller Mädchen, die auf der Rennbahn arbeiteten, sagte er: »Du mußt doch zugeben, daß sie Geschirr und Boxen sauberer halten als die meisten Männer. Zudem haben sie mit den Pferden auch viel mehr Geduld. Sie überreden sie viel eher, statt Härte anzuwenden.«
Henry lachte. »Im Überreden sind sie immer gut, das steht fest — mit Männern und mit Pferden. Sonst würden die Trainer sie ja gar nicht anstellen.«
Alec sagte nichts mehr. Sein Leben lang hatte man ihm beigebracht, ältere Leute zu achten und die Tatsache zu akzeptieren, daß ihnen ihr Alter und ihre Erfahrung das Recht gaben, die Regeln aufzustellen. Nicht, daß sie immer und mit allem recht hatten oder behaupteten, recht zu haben — aber man durfte ihre Autorität einfach nicht offen in Frage stellen oder sich ihr gar widersetzen.
Er wußte, daß die meisten Trainer wie Henry dachten, was die Anstellung von Frauen anbelangte, aber auf der Rennbahn herrschte Personalmangel. Es gab nicht viele Männer, die gewillt waren, sich sieben Tage in der Woche Tag und Nacht um ein Rennpferd zu kümmern. Da suchten sie sich schon lieber eine Arbeit, die ihnen auch ein bißchen Freiheit gewährte.
Alec schaute umher und sah die Stallknechte
Weitere Kostenlose Bücher