Blitz und Pam
in der Sonne des späten Nachmittags arbeiten. Sie genossen ihre milde Wärme und lachten und schwatzten, während sie in Zubern Fußbinden auswuschen, Wäsche aufhängten, Pferdegeschirr putzten, Boxen mit Stroh auslegten und Pferde fütterten — und all dies zur Musik, die aus ihren Radioapparaten plärrte. Einige dieser Stallknechte würden bis lange nach Einbruch der Dunkelheit keinen Feierabend haben, und dabei hatte ihr Tag schon vor sechs Uhr früh begonnen.
Die meisten Leute sahen nur das, was bei Pferderennen im Vordergrund stand, sagte sich Alec — so zum Beispiel die großen Namen von Pferden, Trainern, Jockeys, vielleicht fünfunddreißig an der Zahl. Von dem, was sich hinter den Kulissen abspielte, hatten die Anhänger des Pferderennsports keine Ahnung.
Die Pferdepfleger kannten ihre Pferde besser als sonst jemand, und doch warteten sie wie Kinder darauf, ins Rampenlicht treten zu können und sich das zu ergattern, was dabei herauszuholen war, obwohl es gar nicht so viel war. Die Rennbahnen von New York waren besser als die meisten; trotzdem betrug der Nettolohn für Pferdepfleger kaum mehr als 90 Dollar die Woche, wenn es gut ging. Davon hatten sie für sich und ihre Familien den Unterhalt mit allem, was er einschloß, zu bestreiten: Essen, Kleider, Miete. Sie hatten keine Gewerkschaft, keine Pensionskasse, keine Krankenversicherung, keine Aussicht auf bessere Arbeitsbedingungen und schon gar keine Stellensicherheit; sie konnten fristlos entlassen werden.
Am schlimmsten war wohl, daß unter ihnen eine ausgesprochene Uneinigkeit herrschte. Ständig gab es Mißgunst und Reibereien zwischen einzelnen Gruppen, so zwischen Schwarzen, Weißen und Puertoricanern, zwischen Älteren und Jüngeren, zwischen Verheirateten und Ledigen und endlich zwischen Männern und Frauen.
Und trotz allem arbeiteten sie hier. Alec kannte ihre Gründe dafür. Sie liebten Pferde. Die Arbeit war, wenn auch lange, so doch nicht hart. Irgendwo mußten sie ja arbeiten. Hätten sie eine angemessene Schulbildung genossen, so wären sie nicht hier. Und schließlich hatten die Jungen und Talentierten unter ihnen die Chance, Übungsreiter zu werden und für 110 Dollar die Woche Pferde zu galoppieren, was sie der Verwirklichung des Traumes vom Jockey etwas näherbrachte.
Henry griff die Konversation wieder auf. »Ich hab’ dir schon gesagt, Alec, ich hab’ gar nichts gegen Mädchen, aber...«
Das ewige Aber, dachte Alec; und nun würde ein Schwall von üblen Worten folgen — meist mit irgendeiner Rechtfertigung, aber immer gründeten sie auf der scharfgezogenen Einteilung, zu der Henry Jahre zuvor gelangt war. In jenen Tagen mußten sich Männer und Frauen einfach in eine Schablone einpassen, in die sie gezwängt wurden: Der Mann war grundsätzlich männlich und stark, die Frau weiblich und schwach, wenn nicht gar hilflos.
»Das ist nur ein neuer Vorstoß der Frauen, sich mit Männern zu messen«, fuhr Henry fort. »Und in diesem Geschäft ist das Dynamit.«
Alec konnte nichts Explosives darin sehen, wenn die Frauen versuchten, sich durchzusetzen. Wie jede Minderheit wollten sie auch etwas zu sagen haben und die gleichen beruflichen Chancen haben. Er schwieg, denn es war ihm klar, daß es nicht von gutem wäre, wenn er seine Ansichten darlegte. Henrys Tirade gegen Frauen war gefühlsbedingt und hatte nichts mit Logik zu tun.
Und doch mußte Alec etwas sagen, denn Henry schaute ihn beifallheischend an. Er versuchte es andersherum. »Du hast selbst gesehen, daß viele Mädchen mit einem Pferd mehr erreichen als ein Mann.«
»Dann sollen sie doch bei Pferde- und Wildwestschauen bleiben«, meinte Henry bitter. »Dort werden sie wie Frauen behandelt. Hier sind sie wie gesagt Dynamit. Es gibt schon genug Spannungen in der Rennwelt. Wenn die Frauen darin eine größere Rolle spielen wollen, werden sie sich Konflikten gegenübersehen, die in anderen Berufen gar nicht existieren. Es sind ihrer schon zu viele, und bald werden sie eine gewisse Macht ausüben. Dann wird es explodieren — die Männer lassen sich von den Frauen nicht ihre Stellen wegnehmen!«
Alec wandte sich wieder dem lebhaften Betrieb auf dem Stallgelände zu. War der Streit der Geschlechter hier etwa anders als anderswo? Die Frauen auf der Rennbahn waren darauf gefaßt, daß man sich über sie lustig machte und ihnen Schimpfworte nachrief. Einige unter ihnen waren dann einfach unglücklich, aber sie fanden sich mit ihrem Schicksal ab. Andere ließen sich durch
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