Blitz und Pam
schicken. Es ist durchaus möglich, daß sie gewinnt. Was sagen denn Sie dazu, Herr Dailey — ein Mädchen gewinnt ein 100 000-Dollar-Handicap, das Sie hätten für sich entscheiden können?«
Henry würdigte die Frage nicht der geringsten Beachtung. Er setzte seine Arbeit fort und wechselte das Wasser häufig, ständig Befehle herumschnauzend, wenn Deb die Eimer nicht schnell genug bereithielt oder wenn Alec Blitz etwas zuviel Bewegungsfreiheit gewährte. Dann tauchte er den langen Schweif des Hengstes in einen Eimer, panschte damit im Wasser und wischte ihn endlich wild durch die Luft, so daß das Wasser wiederum gegen Gesichter, Kleider und Kameras der Umstehenden spritzte. Verärgert wichen die Presseleute abermals zurück.
Alec konnte ihre Verstimmung nur zu gut verstehen. Henry faßte die Disqualifikation des schwarzen Hengstes als persönliche Beleidigung auf. Vielleicht waren es aber auch die Tatsache, daß er Mel Miller nicht ausstehen konnte, und die bloße Vorstellung, daß Miller das 100 000-Dollar-Rennen mit einem Mädchen gewinnen könnte, die Henry so zusetzten — ganz besonders jetzt, in einer Stunde der Niederlage.
Alec blickte die Stallstraße hinunter. Millers Siegesparty war schon in vollem Gange. Wenn der beliebte Trainer auch nicht den Siegerpreis errungen hatte, so hatte er für Brush Fires zweiten Platz doch einiges über 12 000 Dollar kassiert. Grund zum Feiern war allerdings mehr noch, daß er Blitz geschlagen hatte — jedenfalls offiziell, wenn auch nicht mit einem schnelleren Pferd.
Der Verpflegungslieferwagen war eben angekommen; es gab genügend Champagner und Essen für jedermann auf dem ganzen Gelände. Miller pflegte seine Parties nicht auf seinen Stall zu beschränken. Sämtliche anwesenden Wärter, Reiter und Trainer waren eingeladen. Er machte sich bei allen lieb Kind, einschließlich der Presse, ja er war bei den Presseleuten ebenso beliebt wie bei den Pferdeleuten. Er war eben richtig leutselig, zuvorkommend und hilfsbereit; stets bewahrte er die Ruhe, wenn er von Reportern und Photographen belagert wurde, und tat sein möglichstes, ihre Wünsche zu erfüllen. Alec mußte zugeben, daß er ganz anders war als Henry.
Das tropfende Haarkleid des schwarzen Hengstes kräuselte sich wie feine Seide, als Henry das Wasser mit dem gebogenen Schaber in langen Zügen entfernte. Das schöne Muskelspiel des Pferdes zeugte von der fachmännischen Pflege und dem hervorragenden Training, die es erhielt. Auch wenn Henry seine schwachen Seiten hatte, so war es doch zur Hauptsache sein Verdienst, daß Blitz nun in Hochform war. Niemand konnte vollkommen sein, dachte Alec. Man mußte eben das Schlechte mit dem Guten hinnehmen. Jeder mußte mit des andern Fehlern — und mit den eigenen — leben lernen. Das Wichtigste aber war, vor dem andern Achtung zu haben. Alec dachte an Pam — sie hätte wohl so gesprochen. Er fragte sich, ob sie vielleicht unterwegs zu den Stallungen war. Sie hatte ihm versprochen, ihn nach dem Rennen hier aufzusuchen. Aber ihr Besuch würde nun, nach allem, was geschehen war, ganz anders ausfallen, als er geplant hatte.
Alec sah, wie Mel Miller sich von seiner munteren Gesellschaft löste und zu ihnen herüberspazierte. Das hatte Alec nicht erwartet, und er war auch nicht erfreut darüber. Trotz der Freundlichkeit, die er sonst an den Tag legte, war Miller in seinen Gesprächen mit Henry richtig unverblümt, wenn nicht gar unverschämt. Er hatte ihm deutlich zu verstehen gegeben, daß er Blitz ohne weiteres zu schlagen vermöge, wenn nur die Gewichte gerecht verteilt seien. Was jedoch in Henrys Augen das Schlimmste war, war die Tatsache, daß Miller als erster Trainer im Gebiete New Yorks die Schranke zwischen den Geschlechtern durchbrochen und Becky Moore vor sechs Monaten in den Sattel gehoben hatte.
Und nun kam er ihres Weges: schlank, zu groß, als daß er selbst je hätte Jockey sein können, gut aussehend und sehr selbstsicher. Er erweckte den Eindruck eines jungen Mannes, der die Aufgaben, die er auf sich genommen hatte, mit Leichtigkeit schmiß. Er hatte mit Erfolg kranke Pferde, die er billig erstanden hatte, aufgepäppelt und zu Siegern gemacht. In wenigen Jahren Training hatte er es weit gebracht, und dank seinem Eifer und Können nannte er nun einen äußerst aktiven Rennstall sein eigen.
Miller übersah Henry geflissentlich und richtete seine Einladung an die Presseleute. »Kommt doch rüber, Jungs!« forderte er sie jovial auf. »Die Party hat
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