Blitz und Vulkan
anhielt. Sich aus der Fahrerkabine beugend, fragte er den Fahrer: „Wen habt ihr da drin?“
„El Dorado.“
„So — das ist der Anfang!“ sagte Henry zu Alec. „Von jetzt an wird sich alles hier sehr schnell ändern.“
„Du meinst, weil wir die Bahn nun nicht mehr für uns allein haben?“
„Das und noch einiges andere außerdem“, murmelte Henry.
Sie hatten ihren Wagen gerade erst verlassen, als sie den Transporter mit El Dorado heranrollen und kurz vor ihnen an der gegenüberliegenden Seite halten sahen. Plötzlich zerriß Blitz’ schrilles Wiehern die Luft. Alec und Henry fuhren herum.
Da stand er, den Kopf weit über die halbhohe Stalltür gestreckt. Seine Ohren waren so straff gespitzt, daß sich die Spitzen beinahe berührten; die Augen hatte er weit aufgerissen. Er wieherte gleich noch einmal, und sein Vorderhuf schlug hart gegen das Holz der Tür.
„Soll ich den oberen Teil lieber schließen, Henry?“
„Nein, das hat keinen Sinn, Alec. Wir wollen und müssen ihn ja von jetzt ab genau beobachten, damit wir sicher sind, ob wir ihn laufen lassen können.“
Zwei Männer holten El Dorado aus seinem Transporter. Er war hellgold-kastanienfarbig und etwa mittelgroß. Ruhig ging er neben seinen Pflegern mit wundervoll leichten, geschmeidigen Bewegungen.
„Biegsam wie eine Katze“, stellte Henry fest, „und doch voller Kraft.“
„Aber seine Schnelligkeitsrekorde kommen an die Vulkans nicht heran“, antwortete Alec.
„Das stimmt“, gab Henry zu, „die der anderen Amerikaner ebenfalls nicht. Trotzdem müssen wir alle unsere Konkurrenten gut im Auge behalten. Phar Fly, der Australier, und vor allem die europäischen Pferde könnten gefährlich werden.“
El Dorado blieb stehen, als Blitz erneut wieherte. Er wendete den goldfarbenen Kopf zu Blitz herum und schnaubte voller Unbehagen. Seine Pfleger führten ihn ein Stück weiter fort, während ein Gehilfe den Stall für ihn zurechtmachte.
Alec trat zu Blitz, aber der hatte jetzt nur Augen für den anderen Hengst. Alec blieb bei seinem Pferd. Henry gesellte sich zu dem Mann, der El Dorado auf und ab führte.
Wiederholt schlug Blitz mit den Vorderhufen gegen die Stalltür. Alec bot ihm eine Mohrrübe an, aber er reagierte gar nicht darauf. Alec beobachtete besorgt, daß El Dorado durch Blitz’ wiederholtes herausforderndes Wiehern auch allmählich in Erregung geriet. Sein Pfleger führte ihn ans andere Ende des Weges; Henry ging nebenher.
Ein Weilchen darauf wurde El Dorado dann in seinen Stall gebracht, und Henry kam wieder zu Alec. „Sie machen sich ein wenig Sorge um ihn“, berichtete er. „Weshalb? Wegen Blitz?“
„Nein, weil er einige Tage nicht recht auf dem Posten gewesen ist und hohes Fieber gehabt hat.“
„Aber jetzt scheint er doch wieder in Ordnung zu sein; jedenfalls sieht er sehr gut aus?“
„Ja, sie hoffen, daß es vorüber ist; er hat kein Fieber mehr und frißt auch wieder. Trotzdem müssen sie ihn natürlich genau beobachten.“
Obwohl es nun Abend wurde und die Dunkelheit kam, verweilte Blitz unentwegt an der halboffenen Stalltür, wartete, ob er El Dorado wieder zu sehen bekäme, und wiederholte sein schrilles Wiehern. „Eigentlich sollte er es ja nun bald überwunden haben, daß er ihm nicht an den Kragen kann“, sagte Alec zu Henry, als sie beide miteinander auf einer Bank vor dem Stall saßen.
„Manchmal überwinden sie es nie...“ gab Henry gedankenvoll zurück. „Jedenfalls werden wir nun in Kürze wissen, woran wir mit Blitz sind.“
„Kommt Lenny zur gleichen Zeit mit Vulkan hier an?“ fragte Alec, absichtlich das Thema wechselnd.
„Ja! Es scheint mir das Beste zu sein, wenn er Vulkan gleich von Anfang an hier trainiert, denn ich nehme an, daß Blitz dich nicht auf Vulkans Rücken wird sehen wollen, selbst nicht während des Trainings.“
„Damit hast du recht, Henry, das glaube ich auch.“
Noch lange, nachdem sie sich schlafen gelegt hatten, hörte Alec Blitz’ zornige Hufschläge gegen die Tür seiner Box und sein unaufhörliches unwilliges Im-Stall-Hin-und-Herstampfen. Er wußte, daß es von morgen an noch sehr viel mehr Ursache zur Erregung geben würde, denn Vulkan würde eintreffen. Und nach ihm Phar Fly, Cavaliere, Sea King, Avenger und Kashmir. Es war, wie Henry vorausgesagt hatte: die Lage würde von jetzt ab ganz anders sein.
Am anderen Morgen fuhr Henry mit dem Transporter fort, um Vulkan von der Bahn abzuholen. Alec blieb bei Blitz. Gerade war er dabei, den Hengst zu
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