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Blitze des Bösen

Blitze des Bösen

Titel: Blitze des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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hatte Heather darauf
bestanden, daß keine Regierung der Welt das Recht habe,
jemanden hinzurichten.
    »Ein Fehler macht den anderen nicht wieder gut«, hatte sie
eingewandt. »Und übrigens geben wir doch immer so damit an,
daß wir eine christliche Nation sind. Wie steht es dann mit den
zehn Geboten? Die Bibel sagt ‚Du sollst nicht töten’. Das heißt
doch, daß die Todesstrafe ganz einfach falsch ist.«
    Jetzt klangen ihr die Worte ihrer Tochter in den Ohren. Anne
dachte darüber nach, wann sie ihre eigene Unschuld, die
Fähigkeit, die Welt in Schwarz und Weiß zu unterteilen,
verloren hatte. Es war noch gar nicht so lange her, fiel ihr ein,
da hätte sie ihrer Tochter noch aus ganzem Herzen zugestimmt.
    Irgendwann hatte sie dann aber begonnen zu glauben, daß es
in Fällen wie dem von Richard Kraven nur eine Wahl gab.
Außerdem hatte sie wohl ihre jahrelange Arbeit, ihre Berichte
über die Grausamkeiten, die Menschen einander zufügten,
abgehärtet.
    Als sie ihren Blick über die Demonstranten vor dem
Gefängnis wandern ließ, fielen ihr darunter auch viele Leute
ihres Alters auf und ebenso viele, die zwanzig Jahre älter
waren. Gerade jetzt entdeckte sie eine ältere Frau im Rollstuhl,
die stolz ein Transparent mit der Aufschrift TODESSTRAFE
IST MORD schwenkte. Mit ihr sollte sie sich unterhalten,
bevor sie heimginge, dachte Anne.
    Ihre Gedanken wurden vom Schrillen des Telefons unterbrochen. Sie wandte sich vom Fenster ab, als Wendell Rustin
den Hörer abnahm, kurz zuhörte und dann wieder auflegte. »Es
ist Zeit«, sagte er. Schwerfällig erhob er sich, ging zur Tür und
hielt sie für Anne auf. Als er sah, daß sie keine Anstalten
machte, ihm zu folgen, schloß er sie wieder. »Wollen Sie sich
das überhaupt zumuten?«
    Anne runzelte die Stirn, während sie nach einer Antwort
suchte und zuckte schließlich die Achseln. »Ich weiß nicht…«,
gestand sie. »Ich weiß selbst nicht, was ich eigentlich will. Ich
dachte, ich sei meiner Sache völlig sicher, aber jetzt…« Ihre
Stimme versagte.
    »Sie müssen nicht dabei sein«, beruhigte sie Rustin. »Wenn
Sie wollen, können Sie auch hier warten.«
Für den Bruchteil einer Sekunde war Anne versucht, das
Angebot des Direktors anzunehmen, aber dann schüttelte sie
heftig den Kopf und sagte: »Diese Sache muß ich durchstehen.
Es wäre doch scheinheilig von mir, wenn ich nicht bei der
Hinrichtung zusehen würde, die ich selbst ununterbrochen
gefordert habe.«
Rustin nickte kurz. »Das stimmt. Aber für ein Todesurteil
einzutreten oder bei seiner Vollstreckung zuzusehen ist zweierlei. Lassen Sie sich das von jemandem sagen, der Ahnung
davon hat.«
Anne zögerte unwillkürlich. Um wie vieles einfacher wäre
es, hier im Büro zu warten, bis alles vorüber war. Aber dann
raffte sie sich auf. »Ich werde es schon aushalten.« Doch
bereits beim Verlassen des Raumes war sie nicht mehr sicher,
ob das auch stimmte. Widersprüchliche Gefühle erfüllten sie,
aber sie rief sich ins Bewußtsein, daß sie schließlich hier war,
um ihre Arbeit zu tun. Den Trick, das Ganze nur vom Standpunkt der Arbeit aus zu sehen, hatte sie im Laufe der Jahre
gelernt, als ihr immer klarer geworden war, daß man Berufliches und Privates manchmal strikt voneinander trennen
mußte.
Als sie die Empore betrat, die an den Hinrichtungsraum
grenzte, war sie überrascht, daß sich so viele Menschen eingefunden hatten. Einige von ihnen kannte sie: Anwälte, die mit
dem Fall zu tun hatten, und Polizisten, die ihre Aussage
gemacht hatten.
Mark Blakemoor, der Leiter der Sonderkommission von
Seattle, saß in der ersten Reihe, nickte ihr zu und bedeutete ihr,
sich neben ihn zu setzen. Bei seinem Anblick verspürte sie eine
sonderbare Erleichterung, ging rasch den Flur hinunter und
nahm auf dem leeren Stuhl Platz.
Von dort aus sah sie direkt in den kleinen Raum, in dem sich
der elektrische Stuhl befand. Stumm starrte sie darauf.
Der Stuhl war aus Holz und, wie Anne auffiel, eine spartanisch einfache Konstruktion, nirgends gepolstert. Der Stuhl
hatte lange, flache Lehnen, an denen die Arme des Opfers mit
Riemen festgeschnallt wurden. Auch der Körper, die Beine und
Knöchel waren mit Riemen verschnürt, damit der Delinquent
sich nicht rühren konnte. An dicken Kabeln waren zwei
Elektroden befestigt. Die ganze Szenerie wurde von grellem,
weißem Licht, das aus vier Glühlampen von der Decke schien,
bestrahlt.
Anne starrte wortlos darauf, ihr Mund war

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