Blitze des Bösen
es, als derjenige hinzufügte: »Los, komm schon! Komm zurück!«
Glen verstand zwar die Worte, doch er maß ihnen kaum
Bedeutung bei. Dunkelheit schloß sich rings um ihn. Nun
schien er in die Tiefe eines Tunnels zu schweben, an dessen
Ende in weiter Entfernung, er einen Lichtfleck sehen konnte.
Als der Mediziner wieder zu sprechen begann, bewegte sich
Glen auf das Licht zu, von dem er sich angezogen fühlte.
In immer schnellerem Tempo lief sein Leben vor ihm ab. Er
sah sich als Baby in der Wiege zu Hause, wie seine Mutter ihn
hochhob und mit ihm schmuste. Dann war er in der Schule,
und da waren alle, die er gekannt aber auch schon längst
wieder vergessen hatte.
Und so ging es weiter. Sein ganzer Lebensweg lag vor ihm
ausgebreitet, während er dem verlockenden weißen Licht am
Ende des Tunnels immer näherkam.
Dann konnte er Personen in dem Licht erkennen. Seine
Großeltern waren da und noch jemand.
Das Baby.
Es war das Baby, das sie vor zwölf Jahren verloren hatten.
Anne erlitt damals eine Frühgeburt.
Alex hätte es heißen sollen.
Und jetzt wartete das Baby auf ihn, es streckte ihm die Arme
entgegen.
Glen schwebte noch schneller, er raste auf das Licht zu und
vergaß sogar seine Schmerzen.
Plötzlich hörte er eine Stimme hinter sich, die ihn anflehte
zubleiben. Diese Stimme wurde zu einem Klagechor, aus dem
er nicht nur die Stimme Annes, sondern auch die von Heather
und Kevin heraushören konnte.
Er hielt inne und schaute zurück. Hinter ihm war alles finster, eine undurchdringliche, unendliche schwarze Weite, von
der er wußte, daß sie voller Schmerzen war.
Vor ihm, in liebliches Licht getaucht, warteten seine Großeltern und das Kind, das er nie gesehen hatte, mit ausgebreiteten Armen darauf, ihn willkommen zu heißen.
Die Stimmen hinter ihm riefen weiter nach ihm, und obwohl
ihn eine entsetzliche Furcht vor der Qual erfüllte, wußte Glen,
daß er den Weg in die Dunkelheit zurück einschlagen mußte.
Die im Licht auf ihn warteten, waren bis in alle Ewigkeit
dort, sie würden noch da sein, wenn die richtige Zeit für ihn
gekommen war.
Aber hinter ihm lag noch so viel Unerledigtes, so vieles, was
noch nicht vollendet war.
Schließlich wandte er sich von dem Licht ab und machte die
Reise zurück in die Dunkelheit.
»Geh auf 300 Joule hoch. Versuch es noch mal!« befahl der
Arzt, der um Glens Leben kämpfte. Der Fahrer stellte den
Defibrillator neu ein, und eine Sekunde später zuckte Glens
Körper, als ihn der Strom durchschoß. Sein Herz hörte einen
Moment auf zu schlagen, setzte dann aber wieder ein.
»Wir schaffen es«, murmelte der Mediziner, als er den Ausschlag auf dem Monitor sah. Doch schon eine Sekunde darauf
versagte das Herz des Patienten wieder, und sein Puls, der
zunächst geflattert hatte, vibrierte nur noch schwach.
»Versuch’s noch mal mit dreihundertsechzig!« Mit angehaltenem Atem schaute er auf den Monitor, verlangte ein Milligramm Adrenalin und setzte die Wiederbelebungsversuche
fort. Während die Sekunden verrannen und Alan Cline Stoßgebete für seinen Partner zum Himmel schickte, begann Glens
Herz wieder zu schlagen, und einen Moment später atmete er
auch wieder aus eigener Kraft.
Der zweite Sanitäter kletterte auf den Fahrersitz, ließ den
Wagen an und mit heulender Sirene bahnte er sich den Weg
zum Hospital.
Die beiden Hintertüren flogen auf. Noch bevor Alan aussteigen
konnte, hatten zwei Krankenträger die Bahre aus dem Wagen
gezogen und rollten sie auf einem tragbaren Untersatz durch
die Türen der Notaufnahme des Group Health. Alan erholte
sich erst jetzt allmählich von seinem Schock und folgte den
Krankenträgern. Doch als sie hinter einer Doppeltür nach links
liefen, schlug er aus Versehen den Weg nach rechts ein und
landete bei der Notaufnahme, wo mehrere Angestellte alle
Hände voll zu tun hatten, um mit den eingehenden Notfällen
fertig zu werden.
Auf einem zerschlissenen Sofa saß eine große Frau, die ihren
Arm schützend um ein schluchzendes Kind geschlungen hatte;
auf einem Stuhl daneben versuchte ein junges Mädchen, ein
weinendes Baby zu stillen. Ein Mann, dessen Augen vor Zorn
funkelten, tastete an der behelfsmäßigen Bandage an seinem
rechten Oberarm herum. Als eine Frau, sie hatte einen blauen
Heck im Gesicht, ihm dabei zu helfen versuchte, schob er sie
barsch beiseite. »Hast du nicht schon genug angerichtet, du
Schlampe!« schnauzte er sie an, und die Frau schreckte sofort
zurück, als ob man nach ihr
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