Blitze des Bösen
an dem
sich die Polizei nach Joyce Cottrell erkundigen würde.
Also hatte er die Notaufnahme links liegen lassen und war
statt dessen in den muffigen, verlassenen Hausflur des
Gebäudes gegangen, in dem er wohnte und in sein Studio im
zweiten Stock geschlichen.
Am Morgen mußte jemand die Leiche finden, und Anne
Jeffers mußte darüber im Herald berichten! Diesmal war es
ihre Nachbarin, die man getötet hatte! Diesmal mußte das
Miststück den Artikel auf die Titelseite setzen!
Dort, wo er hingehörte.
Er war die ganze Nacht wachgeblieben, um in seiner ekstatischen Erinnerung an den Mord zu schwelgen, und in der
Morgendämmerung war er zu müde gewesen, um zur Arbeit zu
gehen. Zu müde und zu aufgeregt. Er wartete, bis es sechs Uhr
war, die Zeit, zu der er immer aufstand, dann rief er seine
Firma an, sagte, daß er sich zwar schon besser fühle als
gestern, aber noch nicht genug, um arbeiten zu können. Sie
sagten ihm, er solle sich Zeit lassen. Und warum sagten sie
das? Weil er nicht wie die anderen Arbeiter in der Firma
regelmäßig krankfeierte. Das war erst das zweite Mal, daß er
sich krank gemeldet hatte.
Nach dem Telefonat verließ er seine Wohnung und ging in
das 7-Eleven, um einen Kaffee zu trinken und die erste Ausgabe des Herold zu lesen. Es war ja immerhin möglich, daß
jemand die Leiche noch vor den Joggern gefunden hatte. Er
überflog die Titelseite und unterdrückte seine Enttäuschung.
Wahrscheinlich war die Zeitung längst gedruckt gewesen, als
sie die Leiche gefunden hatten. Er blätterte rasch den ganzen Herold durch und überflog jede Seite. Nichts.
Als er in sein Appartement zurückkam, war er unsicher, ob
er nicht doch etwas übersehen hatte. So blätterte er noch
einmal die Zeitung durch, sah sich diesmal aber jede Seite ganz
genau an. Als er schließlich auf der letzten Seite angelangt war,
fühlte er eigentlich Erleichterung. Denn wenn auf dem
Titelblatt nichts über seine Tat stand, war es besser, daß
überhaupt nichts in der Zeitung erschien.
Er drehte den Fernseher an, weil er dachte, die Morgennachrichten könnten einen Bericht bringen. Doch dann schaltete er schnell wieder ab, weil er fürchtete, einer seiner Nachbarn könnte es hören und sich fragen, warum er so früh am
Morgen schon Nachrichten anschaute.
Er begann nervös im Zimmer umherzulaufen. Wenn jemand
die Leiche gefunden und die Polizei gerufen hatte, hätten dann
nicht die Sirenen heulen müssen?
Er hatte keine Sirene gehört.
Als er auf seiner billigen Digitaluhr, dem schäbigen Weihnachtsgeschenk seiner Mutter, sah, daß es bereits acht Uhr war,
schaltete er das Radio an.
Endloses Geschwätz über eine Pressekonferenz, die der
Präsident im Verlauf des Tages geben wollte.
Der Mann lief weiter im Zimmer umher und fragte sich, ob
denn endlich jemand die Leiche gefunden hätte.
Vielleicht sollte er selbst die Polizei anrufen.
Er griff zum Hörer, änderte dann aber seine Meinung. Wenn
er das machte, dann sollte er das lieber von einem Münztelefon
aus tun. Von einem, das nicht in der Nähe seines Hauses lag.
Vielleicht von einem auf dem Broadway. Oder sollte er
gleich in die Innenstadt gehen?
Genau, das war’s. Ein Telefon in der First Avenue, wo keiner auf den anderen achtete. Er wollte schon das Radio
abschalten, als er etwas hörte:
Soeben ist noch eine Meldung eingetroffen. In einem
Gebüsch nahe des Staubeckens im Volunteer Park hat man eine
Leiche gefunden. Durch einen seltsamen Zufall wurde die
nackte und verstümmelte Leiche ausgerechnet von der
Reporterin des Herald, Anne Jeffers, entdeckt, die landesweit
durch ihre Berichterstattung über die Morde bekannt geworden
ist, die Richard Kraven begangen haben soll. Über die Identität
der Getöteten ließ die Polizei vorerst nichts verlautbaren.
Weitere Einzelheiten bringen wir zur vollen Stunde. Und nun
zu…
Der Mann hörte nicht mehr hin. Es war noch viel besser
gelaufen, als er zu hoffen gewagt hatte – Anne Jeffers hatte die
Leiche höchstpersönlich gefunden! Jetzt war es keine Frage
mehr, daß die Nachricht auf die Titelseite kommen würde.
Bald, sehr bald schon würde er berühmt sein. Er wußte, daß er
sich noch etwas gedulden mußte, bis er endlich seinen Namen
in der Zeitung lesen durfte. Schließlich wußten sie ja noch
nicht, wer Joyce Cottrell getötet hatte. Und eine Weile – er
wußte noch nicht genau, wie lange – würde er auf Nummer
Sicher gehen, damit sie es auch nicht herausbekämen.
Erst
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