Blitze des Bösen
Sie
müssen stocksauer auf Sie gewesen sein, stimmt’s?« Glen
wollte schon antworten, aber dann wurde ihm klar, welche
Wendung die Unterhaltung nahm. Er schluckte die Worte
hinunter, und im selben Moment verschwand das Lächeln des
Polizisten. »Waren Sie sauer auf sie?« wiederholte er. »Ich
jedenfalls wäre wütend, wenn mir jemand so etwas nachsagen
würde.«
»Wütend genug, um sie deshalb umzubringen?« fragte Glen.
»Ist es das, worauf Sie hinauswollen?«
Blakemoors Blick wurde härter. »Ich will auf gar nichts
hinaus. Ich stelle nur Fragen.«
»Und ich beantworte sie. – Ja, stimmt. Ich war stinksauer auf
Joyce. Aber bestimmt nicht so sehr, daß ich sie deshalb
umgebracht hätte.«
»Aber Sie haben heute morgen sofort an sie gedacht, als sie
von der Leiche hörten«, rief ihm Blakemoor ins Gedächtnis,
»warum?«
»Das will ich ja gerade herauskriegen«, sagte Glen verärgert.
»Aber jetzt frage ich mich, ob ich nicht lieber meinen Anwalt
anrufen soll. Falls Sie mich des Mordes an Joyce Cottrell
bezichtigen wollen…«
Blakemoor hielt die Hände hoch und tat so, als wolle er sich
gegen einen bevorstehenden, wütenden Wortschwall schützen.
»Immer sachte! Ich beschuldige Sie gar nicht. Und wenn Sie
unbedingt Ihren Anwalt anrufen wollen, dann tun Sie das. Wir
können dieses Gespräch sofort beenden, wenn Sie wollen. Ich
bin nur auf Informationen aus und beschuldige überhaupt
niemanden.«
Glen brachte ein gequältes Lachern zustande. »Aber alles,
was ich sage, kann vor Gericht gegen mich verwendet werden?« plapperte er den Satz nach, den er schon so oft in Krimis
gehört hatte.
»Diese Worte verwenden wir nur bei einer Festnahme«,
bemerkte Blakemoor kurz und bündig. »Aber auch dann hat
jeder Mensch immer noch das Recht, einen Anwalt zu konsultieren.«
Glen dachte kurz darüber nach und fühlte, daß ihm die Dinge
aus der Hand glitten. Wenn er darauf bestand, seinen Anwalt
anzurufen, würde man ihn dann nicht erst recht verdächtigen?
Aber er war nicht schuldig! Er hatte weder etwas gehört noch
gesehen – geschweige denn etwas getan!
Aber was war mit den Blackouts?
Wie stand es mit dem gestrigen Tag, als er offenbar ausgegangen und den Rasierapparat in den Müll geworfen hatte,
obwohl er keine Erinnerung daran besaß?
Wenn er das getan hätte…
Er unterdrückte den Gedanken, denn er wußte, wohin er
führte und wollte ihm nicht folgen.
Schließlich traf er seine Entscheidung. Er hatte nichts getan
und brauchte auch keinen Anwalt.
»Ich glaube nur, daß es einen Grund haben muß, warum ich
heute morgen an Joyce gedacht habe. Und die einzige
Erklärung dafür ist die, daß ich vielleicht wirklich etwas in der
Nacht gehört haben könnte. Aber ich kann mich nicht daran
erinnern. Ich meine, ich habe tief geschlafen und dabei
vielleicht im Unterbewußtsein etwas gehört, an das ich mich
erinnert habe, als ich von der Leiche hörte. Ich meine, wenn ich
ein Geräusch gehört hätte, als ich halb eingeschlafen war…«
Glen versagten die Worte, und er wünschte, er hätte
geschwiegen.
Die Blicke der beiden Männer trafen sich, und obwohl keiner
von ihnen etwas sagte, hing die unausgesprochene Frage in der
Luft. Was wäre, wenn es nicht nur ein Geräusch war, das Glen
unbewußt wahrgenommen hatte, sondern ein Schrei?
Vielleicht sogar ein Todesschrei?
Als Mark Blakemoor einige Minuten später das Haus verließ, waren diese Fragen nach wie vor offen geblieben.
Aber beide Männer fragten sich, wie wohl die Antworten
darauf lauten könnten.
37. Kapitel
Leiche im Volunteer Park gefunden Beginn einer neuen Mordserie?
Am frühen Morgen wurde die nackte und
verstümmelte Leiche einer Frau im
Volunteer Park gefunden. Angaben der
Polizei zufolge, wurde das Opfer, Joyce
Cottrell, in ihrer Wohnung in Capitol Hill
zwischen dreiundzwanzig und vier Uhr
erstochen. Obwohl es die Polizei bislang
bestritt, scheint eine Verbindung zwischen
diesem Mord und dem an Shawnelle Davis
zu bestehen…
»Um Himmels willen!« stöhnte Vivian Andrews und ließ
sich in ihren Stuhl fallen. Sie sah vom Bildschirm auf ihrem
Schreibtisch hoch und schaute ungeduldig aus dem Fenster auf
den grauen Himmel. Sie holte tief Luft; ihre Mutter hatte ihr
beigebracht, daß man so seine Wut unter Kontrolle bringen
könnte. Dann griff sie zum Telefon und wählte die Nummer
von Anne Jeffers’ Nebenanschluß. Ihre Finger trommelten
bereits ungeduldig auf die Tischfläche, als Anne nach
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