Blogging Queen - Profijt, J: Blogging Queen
Haltung
auch nicht und die ausschweifenden Gesten schon gar nicht. Dabei hätte ich geschworen, dass ich als Stewardess, die es gewöhnt
ist, sich an einem sehr beengten Arbeitsplatz zu bewegen, nicht fuchtele, wie Stefan das nannte, aber er war anderer Meinung.
Kopf hoch, Ellbogen an den Körper, Hüfte nach vorn, nicht mit dem Hintern wackeln und sparsame Gesten. Nicken nur im Millimeterbereich,
Kopfschütteln gar nicht. Ich ging, nickte, streckte die Hand aus und betrachtete meine Bewegungen auf dem Bildschirm.
»Immer noch Scheiße«, sagte Stefan ein ums andere Mal, und ich übte aufs Neue. Gehen, nicken, Hände schütteln.
Wir aßen zwischendurch ein paar Kekse, tranken Espresso und waren um acht Uhr beide völlig fertig. Mir taten die Füße, der
Rücken und der Nacken weh. Sergeant Pepper bettelte seit Stunden um einen Spaziergang, und endlich schaltete Stefan die Kamera
ab.
»Feierabend. Gehen wir etwas essen?«
Ich nickte. Zum Üben hatte ich eine Röhrenjeans in hellem Denim und Washed-Optik und ein hellblaues, eng anliegendes T-Shirt getragen. Modisch eine Katastrophe, weil man niemals ein hellblaues T-Shirt zu einer hellblauen Jeans trägt, aber Stefan wollte es so, weil er behauptete, dann die Körperhaltung am besten sehen zu
können. Ich ließ die Klamotten an und tat auch sonst nichts mehr an meinem Äußeren. Es war das erste Mal seit fünf Jahren,
dass ich ungeschminkt, mit nachlässig zusammengebundenem Haar und in nicht zusammenpassender Kleidung aus dem Haus ging. Ich
hatte einfach nicht mehr die Kraft, mich darum zu kümmern. Wir futterten Chili con Carne bei Moritz, der seine Blicke zwischen
Stefan und mir hin und her wandern ließ und dann, offenbar zustimmend, nickte. Ich schüttelte den Kopf, winkte dann aber ab.
Was auch immer er dachte, war mir im Moment herzlich egal. Ich musste mir Mühe geben, während des Essens wach zu bleiben,
und verschwand um halb zehn, während Stefan und Sergeant Pepper ihre Plätze an die Bar verlegten und der Größere von beiden
sein fünftes Bier bestellte.
Millie’s Magazine – 30. Juni
Das Nomiya, ein Top-Restaurant im stylischen Glas-Container auf dem Dach des Palais de Tokyo in Paris, bietet nur zwölf Gästen
Platz. Dort einen Tisch zu bekommen, ist also eine Herausforderung. Dafür ist der Blick über Paris und auf den direkt gegenüberliegenden
Eiffelturm grandios.
Nicht ganz so exponiert, aber ebenso aufregend ist das La Société, das inzwischen offenbar zum Stammlokal der Fendis geworden
ist. Anders ist es nicht zu erklären, dass mindestens ein Mitglied der Fendi-Familie immer dort anzutreffen
ist, wenn ich im Design von Christian Liaigre und unter den Fotos von Peter Lindbergh schwelge.
Am nächsten Vormittag (Dienstag – noch drei Tage bis Paris), rief Stahl an, noch bevor Stefan aufgestanden war. Vielleicht
war sein Abend bei Moritz länger geworden.
»Ich bin wieder in der Stadt und, äh, wollte nur wissen, ob es etwas Neues gibt.«
»Nein, bei Ihnen?«
»Ich habe überlegt, die deutsche Botschaft in Chile um Hilfe zu bitten.«
Mir verschlug es die Sprache.
»Wenn Frau Winterberg doch irgendwo in der Zivilisation auftaucht, zum Beispiel sich in einem Hotel anmeldet oder einen Inlandsflug
bucht, könnte man ihr ausrichten, dass sie sich mit mir in Verbindung setzen soll.«
»Und das läuft über die deutsche Botschaft?«, fragte ich, nur um überhaupt etwas zu sagen.
»Na ja, ich könnte auch ein Amtshilfeersuchen direkt an die chilenische Polizei richten, ohne die stille Post über die Botschaft
zu spielen, aber ich kann kein Spanisch, und bis ich einen Übersetzer beauftragt habe …«
War das der tatsächliche Grund für sein Anliegen? Wollte er, dass ich ihm bei der Übersetzung half?
»Ich spreche Spanisch, könnte Ihnen also den Text schreiben, aber ich bin natürlich nicht vereidigt oder wie das heißt«, sagte
ich.
»Oh, kein Problem. Ich bin übrigens gerade ganz in Ihrer Nähe, darf ich gleich vorbeikommen?«
Ich hatte mich bereits wieder für das Training mit Stefan angezogen, und so blieb mir gerade noch Zeit, eine dunkle Tunika
über das weiße T-Shirt zu ziehen, das Make-upzu vervollständigen und passende Sneakers auszusuchen, bevor es an der Tür klingelte.
Ich bat Stahl herein, machte ihm einen Espresso und setzte mich neben ihn auf die Couch.
»Was wollen Sie denn schreiben?«, fragte ich.
»Ich habe mir schon eine Formulierung überlegt.« Er
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