Blogging Queen - Profijt, J: Blogging Queen
am Telefon.
Stahl wiederholte seine Frage.
»Was wollen Sie denn wissen?«, murmelte ich nervös.
»Mir scheint, dass Funk das Geschäftsmodell gewechselt hat. Früher war er in Geldanlagegeschäften unterwegs, aber nach der
Bankenkrise sind die Leute natürlich deutlich vorsichtiger geworden. Jetzt scheint er sich auf Diamanten, Gold und falschen
Schmuck spezialisiert zu haben. Und ich habe Hinweise, dass er seine Opfer im Umfeld der großen Modehäuser findet.«
Ich starrte ihn sprachlos an. »Da kann Ihnen doch bestimmt Ihre Kollegin weiterhelfen …«, brachte ich endlich heraus.
»Die hat Urlaub.«
»Tja …«
»Entschuldigung, ich sollte Sie mit diesen Details gar nicht belästigen. Ich kriege ihn schon, früher oder später. Vielen
Dank jedenfalls für Ihre Hilfe.«
Kaum war Stahl weg, stürmte Stefan ins Wohnzimmer. Er trug ein kiwigrünes Frotteeshirt.
»Was wollte der Kommissar von dir?«
»Warum hast du so eine Angst vor der Polizei?«, fragte ich zurück.
Stefan kniff die Lippen zusammen und schwieg.
»Bist du ein Mörder? Betrüger? Vergewaltiger?«, fragte ich giftig.
»Blödsinn.«
»Was dann?«
Er ließ sich in den Ledersessel fallen, drehte ihn zum Fenster und blickte über die Dächer der Stadt.
»Nun komm schon«, drängelte ich. »Ich habe dir meine Sünden gebeichtet, jetzt bist du dran.«
Es dauerte noch etliche Sekunden, bis er leise seufzte. »Das Finanzamt ist hinter mir her.«
»Warum?«
Er schwieg.
»Betrug?«
»Nein. Dummheit. Vertrauen in die falschen Leute.«
»Nämlich?«
»Meine Exfreundin. Sie hat meine Buchhaltung gemacht und dabei eine ganze Menge Kohle für sich abgezweigt.«
»Und jetzt …«
»Sucht ein von mir beauftragter Detektiv nach meiner Freundin, das Finanzamt nach mir, und ich brauche dringend Kohle, um
den Staat zu bezahlen.«
»Und wo willst du die Kohle hernehmen?«
»Ich hatte die Arbeit an meinem ersten Bildband über die Stars der Fashion-Szene beinahe abgeschlossen, als das Finanzamt
kam und meinen Rechner beschlagnahmte. Leider hat es bei der Untersuchung des Rechners dann einen technischen Supergau gegeben,
und ein ganzer Ordner mit Backstage-Fotos und Porträts ist unwiederbringlich verloren. Ohne diese Bilder ist aber der Fotoband
nicht denkbar. Jetzt rate mal, von welchem Designer wir hier sprechen?«
»Karl der Große«, sagte ich grinsend.
»Yep«, sagte Stefan und mühte sich aus dem Sessel. »Lass uns üben, Baby.«
Wir übten den ganzen Dienstag und den ganzen Mittwoch. Stefan war ein gnadenloser Trainer, der mir mal ein Buch auf den Kopf
packte, mal die Knöchel zusammen- oder die Ellbogen am Körper festband, damit die Schritte kleiner und die Gesten sparsamer
wurden.
Vor und nach dem Üben gingen wir mit Sergeant Pepper Gassi, abends futterten wir große Portionen bei Moritz.Nach dem Essen wankte ich ins Bett, Stefan blieb in der Kneipe. Wie lang? Keine Ahnung. Ich schlief wie ein Bär im Winterschlaf.
Millie’s Magazine – 2. Juli
Never give up!
Ich lud das Foto einer jungen Frau im Businesskostüm hoch. Sie hatte ein Bein in Gips, humpelte auf zwei Krücken – aber der
gesunde Fuß steckte in Stilettos.
Wir hörten weder von Jasmin noch von Stahl. Donnerstag kam das Paket mit meinen Klamotten. Mir zitterten die Hände, als ich
es öffnete, also nahm Stefan mir die Sache aus der Hand. Er hatte Sabines rollende Kleiderstange ins Wohnzimmer geholt und
hängte ein Teil nach dem anderen auf.
Alles war auf Bügeln und in Tüten geliefert worden. Sehr professionell. Ich wollte lieber gar nicht wissen, was dieser Service
normalerweise kostete.
Zum Schluss holte Stefan einen Schnellhefter hervor, der die Anweisungen seiner Schwester enthielt. Welches Teil mit welchem
anderen kombinierbar war, zu welcher Tageszeit was getragen werden konnte, die passenden Accessoires, alles war minutiös aufgeführt.
Sogar mit Hinweisen versehen wie »eher konservativ«, »progressiv«, »Trendsetter«. Die Trendsetter-Outfits waren wohl am passendsten
für meine falsche Identität, aber ich fühlte mich schrecklich verkleidet. Mehrere Lagen diverser Stoffqualitäten, Farben und
Muster übereinander, das Ganze garniert mit meterlangen Perlenketten, einer Federboa (der ich mich kategorisch verweigerte),
Perlen und Federn und Accessoires, die auch vom Trödelmarkt stammen könnten. Jedes Outfit bestand aus mindestensdrei Teilen von namhaften Couturiers, kombiniert mit
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