Blogging Queen - Profijt, J: Blogging Queen
No-Name-Zeug und billigem Kitsch. Der absolut letzte Schrei waren die
silberblaue Perücke und die Sonnenbrille mit untertassengroßen Gläsern und hellblauen Federn drum herum.
Ich hatte den Eindruck, dass die gute Schwester ziemlich übertrieben hatte.
Stefan betrachtete die diversen Outfits und grinste. »Damit siehst du genauso bescheuert aus wie die anderen Hühner.«
Ich dankte herzlich.
Endlich war es so weit. Wir hatten ein Taxi nehmen müssen zum Grand Palais, denn der Thalys hatte Verspätung. In Belgien streikte
wieder irgendjemand oder alle, das wusste man dort ja nie so genau. Am Eingang sagten wir unsere Namen, wurden höflich in
Empfang genommen und zu unseren Plätzen gebracht. Wir saßen tatsächlich in der ersten Reihe.
Das Grand Palais war für die Weltausstellung im Jahr 1900 gebaut worden und sollte vor allem eins: beeindrucken. Das tat es
auch heute noch, über hundert Jahre später, genau wie am ersten Tag. Schon allein durch die größte Glaskuppel Europas, die
das Hauptschiff überspannt. Diese Halle von zweihundert Metern Länge und einer Gesamtfläche von dreizehntausendfünfhundert
Quadratmetern war der Ort der Modenschau. Sie war in einen riesigen Garten im Stil von Versailles verwandelt worden. Stilisierte
Labyrinthe und Rabatten aus künstlichen Hecken und ein riesiger Springbrunnen bildeten den Rahmen für die Schau. Auf dem Boden
lag glänzend weißer, knirschender Kies. An drei Seiten saß das geladene Publikum,an der Stirnwand das Orchester, das die Show musikalisch begleiten würde.
Ich blickte mich unauffällig um, was nicht schwierig war, da ich mich wirklich verkleidet hatte. Die silbrig blaue Perücke
juckte etwas, erfüllte aber ihren Zweck zusammen mit der riesigen Sonnenbrille, deren Rand mit blauen Federn besetzt war.
Natürlich sah ich schrill aus, aber da war ich nun wirklich nicht die Einzige. Tavi, die Teenage-Bloggerin aus den USA, war
in einer rosafarbene Wolke mit Blüten im Haar erschienen, die beiden großen Annas der Branche brillierten im wahrsten Sinn
des Wortes in schwarzen Outfits mit funkelnden Glitzersteinchen. Sie würden sich sicher bis ans Ende ihrer Tage darüber ärgern,
dass sie sich ausgerechnet heute für einen ähnlichen Look entschieden hatten.
Ich sah jede Menge Promis, vom Rennfahrer über Fußballer und Hollywoodstars hin zu gekrönten Häuptern. Wenn Karl rief, kamen
sie alle. Und ich war mittendrin. Mein Herz pochte so stark, dass ich meinte, meine Nachbarn auf den Sitzen neben und hinter
mir müssten es hören, aber vielleicht hatten einige von ihnen dasselbe Problem.
Das Licht wurde gedimmt, das Orchester stimmte die ersten Takte leichter Klassik an, und dann ging es los. Die Models schritten
die zweihundert Meter Länge ab, schlängelten sich durch die Hecken, hielten die Hände ins Wasser des Springbrunnens und schritten
zurück. Das alles auf Schuhen, auf denen kein normaler Mensch gehen kann. Wir waren ihnen so nah, dass wir sie fast berühren
konnten.
Natürlich hatte ich sämtliche Filme über diese Shows gesehen. Natürlich hatte ich Fotos gesehen. Von den Settings,den Models, der Couture. Aber dabei zu sein, war einfach unvergleichlich. Die Models, die Mode und die Musik vermischten sich
zu einem Strudel, der mich mit sich riss. Manchmal musste ich fast lachen, als zum Beispiel die altbekannten Klassiker wie
die kastige Chanel-Jacke mit Hotpants kombiniert wurden. In exakt demselben Stil mit Bordüre oder Fransenkanten. Natürlich,
Models mit einem Meter fünfzig langen Beinen und einem praktisch nicht existenten Po konnten so etwas tragen. Ansonsten hoffte
ich, diese Mode niemals wieder zu sehen. Zumindest nicht an Frauen meiner Statur.
Zum Finale kam Karl selbst in seinen Garten und alle seine über achtzig Models mit ihm. Ein wahnsinniger Tross, der durch
die Halle zog und sich in ihren Dimensionen doch verlor. Jetzt wurde ich wirklich nervös, denn das Ende der Show bedeutete
den Startschuss für mich. In der allgemeinen Auflösung nach dem Finale schoss Stefan noch Fotos von allen VIPs, die er vor
die Linse bekommen konnte, dann machten wir uns auf den Weg hinter die Kulissen.
Wie lange hatte ich darauf gewartet, und nun war ich nur noch wenige Meter von meinem Ziel entfernt. Hinter dieser Tür, ach,
was sage ich, hinter diesem Portal war er und erhielt in diesem Moment die Nachricht von meiner Ankunft. Natürlich würde er
sich wundern, denn
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