Blood and Chocolate - Curtis Klause, A: Blood and Chocolate - Blood and Chocolate
Miststück kommt nicht heim.«
Sie kletterte durch das Fenster, wobei sie sich die Schienbeine aufschürfte, und ließ sich draußen auf den Rasen fallen. Mühsam erhob sie sich und hievte sich irgendwie über den Zaun. Dann lief sie die Straße entlang.
Sie wusste, wo Kelly war. »Ich werde dich aus seinen Armen reißen«, schwor Vivian. »Ich werde dich zerreißen.«
Die Nacht bestand aus purem Hass.
24
Vivian schreckte aus dem Schlaf auf. Sie erinnerte sich nicht, zu Bett gegangen zu sein. Verzweifelt suchte sie nach einem Erinnerungsfetzen daran, wie sie sich die Zähne geputzt oder sich ausgezogen hatte, doch da war nichts als dunkle Leere. Vorsichtig öffnete sie die Augen. Hämmernde Schmerzen dröhnten in ihrem Kopf. Ihre Zunge war pelzig, ihr ganzer Körper fühlte sich wund an.
Das Ganze ähnelte zu sehr einem anderen Morgen vor nicht allzu langer Zeit. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals.
Vorsichtig setzte sich Vivian inmitten ihres durchwühlten Bettzeugs auf. Sie war nackt. Ängstlich sah sie sich im Zimmer nach der Kleidung um, die sie letzte Nacht angehabt hatte. Die Lehne ihres Schreibtischstuhls war leer. Auf dem Boden lagen keine zerknüllten Haufen. Wo waren ihre Klamotten? Sie kämpfte die aufsteigende Panik nieder.
Die frühmorgendliche Brise, die durch das offene Fenster wehte, war feucht, aber kühl. Das Fliegengitter am Fenster war in der ganzen Breite zerrissen – so weit, dass jemand hindurchklettern konnte, jemand, der nicht genug Verstand besaß, einen eigensinnigen Rahmen anzuheben. Auf dem Boden befand sich Schmutz.
Vivian sah an sich selbst hinab. Sie war mit grünlichem Schlamm beschmiert, als sei sie im Fluss gewesen. Sie hob die Hände und inspizierte ihre Nägel. Rosafarben mit weißen Rändern. Vivian atmete hörbar aus. Kein Blut, dem Mond sei Dank.
Allmählich entspannte sie sich. Sie war vergangene Nacht betrunken gewesen, das war alles. Dann hatte sie sich eben ausgezogen und war eine Zeit lang gerannt – na und? Sie hatte es verdient. Wahrscheinlich hatte sie sich instinktiv im Wald aufgehalten. Ja, es war dumm gewesen, Kellys Haus aufzusuchen, aber glücklicherweise war sie abgehauen, bevor jemand sie entdeckte. Ich glaube nicht, dass ich zu Aiden gelaufen bin , dachte sie. Andererseits konnte sie sich natürlich auch nicht mehr daran erinnern, wie sie so schmutzig geworden war.
Als sie die Beine über die Bettkante schwang, stöhnte sie auf. In diesem Augenblick fiel mit einem dumpfen Aufprall eine Hand aus dem zerwühlten Bettzeug auf den Boden.
Vivian erstarrte. Das Zimmer verschwamm vor ihren Augen. Sie nahm nur eines deutlich war, scharf umrissen, realer als die Wirklichkeit: eine abgetrennte Hand, die mit der Handfläche nach oben auf ihrem Schlafzimmerteppich lag. Die Haut war blass und ein wenig runzlig, als sei die Hand mit ihr im Fluss gewesen. In der Handfläche befanden sich Bissspuren. Am Gelenk umgab ein Kranz aus zerfetzter Haut einen dunklen, verkrusteten Kern und einen Knochen, der weiß hervorragte. Man hatte den Knochen zermalmt, um das Mark auszusaugen.
Sie bemerkte einen Ring am Mittelfinger. Bittere Galle hinunterwürgend, streckte sie einen Fuß aus, drehte die klamme Hand um und schauderte dann zurück. Ein silberner Totenkopf steckte an dem leblosen Stück Fleisch. Er gehörte dem Biker, der sie vor dem Tooley’s angemacht hatte, der Kerl, dem sie eine verpassen würde, wie sie Gabriel gesagt hatte.
Sie atmete in raschen, flachen Zügen wie ein Tier in einer Falle. Ich muss die Hand loswerden , beschloss sie.
Hatte jemand Vivian gesehen? Hatte sie eine Spur bis zu ihrem Haus hinterlassen? Sie stürzte ans Fenster und sah hinaus. Vom Rasen stieg Nebel empor, alles war wie immer.
Und wenn Esmé plötzlich ins Zimmer käme? Schnell rannte sie zur Tür und sperrte ab. Trotz der kühlen Brise war sie schweißgebadet. Sie musste die Hand verstecken, bis sie sie aus dem Haus schaffen konnte.
Verzweifelt sah sie sich um. Die an die Wand gemalten Wölfe schienen sie auszulachen. Sie riss die Schranktür auf. In einem Stiefel? Nein, das Paar würde sie nie wieder anziehen. Sie bemerkte eine Timberland-Schuhschachtel oben auf dem Regal. Perfekt. Sie schob den Deckel herunter, holte die Hand, indem sie sie behutsam an dem wächsernen Daumen hielt, streckte sich und ließ das widerliche Ding in die Schachtel fallen. Seidenpapier raschelte, und einen schrecklichen Moment lang stellte sie sich vor, wie sich die Hand in dem Karton wand. Sie
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