Blood and Chocolate - Curtis Klause, A: Blood and Chocolate - Blood and Chocolate
Esszimmer.
»Wie lang ist er hier gewesen?«, verlangte Vivian zu wissen.
»Bloß ein paar Minuten«, antwortete Esmé. Sie wirkte selbstzufrieden. »Er war hier, um mich heute Abend auf einen Drink einzuladen.«
»Verdammt nochmal, Mom. Er ist vierundzwanzig.«
»Na und?«
»Du bist fast vierzig.«
»Genau, reit bloß darauf herum.« Doch Esmé hörte nicht auf zu lächeln.
»Findest du das nicht ein bisschen widerwärtig?«
Esmé warf die Arme in die Luft. »Du meine Güte, es ist mir doch nicht ernst mit ihm.«
»Oh, prima. Jetzt ist er also dein kleiner Lustknabe.«
Esmé grinste. »Und was für ein Knabe!« Sie tänzelte die Treppe hinauf und wackelte mit dem Hintern wie mit einem Schwanz. Vivian folgte Esmé nach oben und warf krachend ihre Zimmertür ins Schloss.
Rudy war nach der Arbeit in Tooley’s Bar gegangen, also saßen nur Vivian und Esmé am Esstisch. Vivian grübelte immer noch über Gabriels Besuch nach. Sie dachte an ihren Vater und die schmerzhafte Leere, die immer noch an ihr nagte. Ihre Eltern hatten so glücklich miteinander gewirkt. Sie hatte geglaubt, ihre Mutter teile den Schmerz, doch jetzt führte sich Esmé wie eine dumme Vierzehnj ährige auf.
»Hast du Dad denn nicht geliebt?«, sagte sie nach einer Weile.
Entgeistert über diese völlig unerwartete Frage blickte Esmé auf. »Doch, ich habe ihn geliebt.«
»Warum rennst du dann einem anderen Mann hinterher?«
»Ein Jahr ist eine lange Zeit, Vivian. Ich bin das Weinen leid. Ich bin einsam. Manchmal will ich einen Mann in meinem Bett.«
Jäh packte Vivian ihren Teller und ging in die Küche. Konnte ihre Mutter nicht mit ihr reden wie mit einer Tochter? Sie kratzte ihre Essensreste in den Mülleimer, wobei sie quietschend mit dem Messer über das Porzellan fuhr.
»Pass auf das Geschirr auf!«, schrie Esmé.
So ist es schon besser , dachte Vivian aufgebracht.
Eine Stunde später lag sie auf ihrem Bett und lernte halbherzig Chemie, als das Telefon klingelte. Sie ging an den Apparat im Korridor im ersten Stock und erwartete, die Stimme eines Rudelmitglieds zu hören, doch es war Aiden.
»Am Wochenende gibt es an der Uni ein Konzert mit freiem Eintritt«, sagte er. »Sonntagnachmittag. Vielleicht … willst du hingehen?«
Die Augen halb geschlossen, leckte sie sich über die Lippen. »Vielleicht. Wer spielt denn?«
Er erwähnte eine Band, von der sie noch nie gehört hatte, in einem ehrfürchtigen Tonfall, der nahelegte, dass sie bekannt war und zu seinen Favoriten gehörte. Er teilte ein besonderes Vergnügen mit ihr. »Ich muss erst fragen, ob meine Familie schon Pläne hat«, sagte sie ihm. »Ich gebe dir morgen Bescheid.« Schließlich wollte sie nicht zu eifrig erscheinen. »Nein. Keine Sorge. Ich finde dich schon.«
Vivian legte auf, streckte zufrieden die Arme zur Decke und machte einen Buckel. Sollte sie hingehen, oder reichte es ihr schon, dass er angebissen hatte?
Doch ein Schatten legte sich über ihre gute Laune. Bei
einem Date würde er sie küssen wollen. Wäre er sicher, wenn er ihr so nahe käme, dass ihr sein Geruch in die Nase stieg?
Esmé kam aus ihrem Schlafzimmer. Sie trug das enge schwarze Kleid, das ihre Kellnerkluft darstellte. »Wer war das?«, fragte sie beiläufig, während sie sich einen Ohrring ansteckte.
»Ein Junge aus der Schule.«
Esmé hielt inne. »Oh?«
»Er hat mich auf ein Konzert eingeladen.«
»Einer von denen hat dich eingeladen?« Die Miene ihrer Mutter war eine Mischung aus Abscheu und Überraschung. »Das erlaube ich nicht.«
Vivian wurde zornig. »Du kannst mir nicht vorschreiben, mit wem ich auszugehen habe.«
Esmé stemmte die Hände in die Hüften. »›Kein Pärchen ohne Paarung‹, oder wie heißt es doch so schön.« Menschen und Wolfswesen war es aus biologischen Gründen unmöglich, sich gemeinsam fortzupflanzen.
»Ich kriege kein Baby von ihm, sondern gehe auf ein Konzert«, meinte Vivian unwirsch. »Und erzähl mir bloß nicht, Wolfswesen gehen nur Beziehungen ein, wenn sie Kinder wollen. Ich weiß es besser.«
»Werd nicht unverschämt!«, rief ihr Esmé im Weggehen zu.
Jetzt war Vivian fest entschlossen, auf das Konzert zu gehen.
Er hatte angerufen, und sie war keine Außenseiterin mehr – unberührbar und eigenartig, vielleicht unsichtbar.
Doch warum sollte es ihr so viel ausmachen? Er war schließlich ein Mensch: Ein Fleischjunge mit spärlichem Pelz, ein unvollständiges Wesen, das nur eine Gestalt besaß.
Wie traurig , überlegte sie, und auf
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