Blood - Ein Alex-Cross-Roman
abhauen. Zu den Kindern zurückgehen. Es ist Sonnabend. Heute ist mein freier Tag .
Ich gab Ned die zehn Dollar.
22
Mir fiel beim besten Willen keine Lösung für diese vertrackte Zwickmühle ein, und so erging es auch allen anderen. Darum hatte Mahoney mich ja geholt, in der Hoffnung, dass ich vielleicht einen brauchbaren Vorschlag hätte.
Ein Unglück kommt selten allein, und das gilt selbstverständlich besonders an einem sonnigen Nachmittag, an dem jeder sich irgendwo anders hin wünscht als an den Schauplatz einer bevorstehenden Schießerei, bei der es aller Wahrscheinlichkeit nach etliche Tote gibt.
Die erste Einsatzbesprechung fand in der Eingangshalle einer nahe gelegenen Grundschule statt. Sie war bis zum Platzen mit Angehörigen der Polizei von Washington und FBI-Agenten gefüllt, unter ihnen auch hochrangige Angehörige des Hostage Rescue Teams, HRT, der Spezialeinheit für Geiselbefreiung. Das HRT war einsatzbereit, falls es so weit kommen sollte, und es sah ganz danach aus, als würde es nicht mehr lange dauern.
Gegen Ende der Besprechung fasste Captain Tim Moran, der Leiter der SWAT-Einheiten im Stadtgebiet, die bekannten Fakten noch einmal zusammen. Er musste aus naheliegenden Gründen unter einer enormen inneren Anspannung stehen, wirkte nach außen hin aber ruhig und abgeklärt. Ich kannte Moran aus meiner Zeit bei der Polizei und hatte große Hochachtung vor seiner Unerschrockenheit. Noch mehr Hochachtung empfand ich jedoch angesichts seiner Integrität, und nie war sie größer als an diesem Nachmittag, an dem er womöglich gegen seine eigenen Männer vorgehen musste.
»Um die Situation kurz zusammenzufassen: Das Zielobjekt
ist ein vierstöckiges Gebäude, wo schwarzes Heroin zu Pulver und zu einem Haufen Bargeld verarbeitet wird. Da drin befinden sich mindestens ein Dutzend Leute, die im Labor arbeiten, überwiegend Frauen. Dann haben wir noch die Wachposten des Labors, gut bewaffnet und auf mindestens drei Stockwerke verteilt. Das müssten auch so ungefähr ein Dutzend sein. Und dann haben wir noch sechs SWAT-Beamte, die bei einem versuchten Raubüberfall im Inneren des Gebäudes eingeschlossen worden sind.
Allem Anschein nach haben sie einen Teil des Heroins und des Bargelds in ihren Besitz gebracht. Sie sitzen zwischen den Drogendealern, dem Personal und ungefähr einem halben Dutzend weiterer Wachposten, die dazugekommen sind, als der Überfall schon im Gang war, im obersten Stockwerk in der Falle. Wir haben also eine klassische Patt-Situation. Mit beiden Seiten haben wir ersten Kontakt aufgenommen. Keiner will nachgeben. Ich schätze mal, sie denken sich: Was habe ich schon zu verlieren? Also stellen sie sich stur.«
Mit ruhiger Stimme fuhr Tim Moran fort: »Angesichts der Komplikationen, die durch die Beteiligung von Angehörigen der SWAT entstanden sind, untersteht dieser Einsatz von jetzt an dem Kommando des Hostage Rescue Teams. Die Polizeikräfte der Stadt Washington, D.C., sichern dem FBI ihre volle Unterstützung zu.«
Captains Morans Zusammenfassung war eindeutig und präzise, und es erforderte durchaus eine gewisse Courage, die Einsatzleitung an das FBI abzugeben. Aber es war der richtige Schritt. Schließlich war es denkbar, dass man in das Haus eindringen und das Feuer auf die SWAT-Beamten eröffnen musste. Sie mochten zwar schlechte Polizisten sein, aber sie waren immer noch Polizisten. Auf unsere Brüder schießen zu müssen, dieser Gedanke war für keinen von uns angenehm.
Ned Mahoney beugte sich dicht zu mir. »Und? Was sollen wir jetzt machen, Einstein? Wir als HRT sitzen mächtig in der Scheiße. Verstehst du jetzt, wieso ich dich hergerufen hab?«
»Ja, na ja, entschuldige vielmals, dass ich mich jetzt nicht vor Dankbarkeit überschlage.«
»Ach, ist trotzdem gern geschehen«, erwiderte Mahoney und hieb mir in einer übertrieben kumpelhaften Geste mit der Faust auf den Arm, sodass wir beide lachen musste.
23
Es lag ihm im Blut.
Wenn der Schlachter in D.C. war, hörte er jedes Mal den Polizeifunk ab, aus reiner Gewohnheit, und dieser Hammer ließ sich wohl kaum überhören. Der absolute Super-GAU, musste er unwillkürlich denken. SWAT gegen Geiselbefreiung. Großartig.
Im Lauf der vergangenen Jahre war er in Bezug auf seine Aufträge etwas wählerischer geworden, Stichwort: »Weniger arbeiten, mehr kassieren.« Drei oder vier große Anschläge pro Jahr, dazu ein paar Gefälligkeiten für die Bosse. Das war mehr, als er brauchte, um sich über Wasser zu
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