Blood Lily Chronicles 02 - Zerrissen
der harten, kalten Wirklichkeit.
Ich wich dem Stoß aus; er stellte mir ein Bein, und ich fiel hin. Das Gefäß entglitt meinen Händen. Ich kreischte und streckte mich, und obwohl meine Finger es noch berührten ...
Ich konnte es nicht festhalten.
Das Gefäß schlug auf und zersprang in tausend Scherben.
Es war zerstört und ich fuchsteufelswild. Wutentbrannt stürzte ich mich auf ihn. Ich wusste nicht einmal, was genau ich tun wollte. Vielleicht den Schweinehund aus meiner Schwester herauswürgen. Aber ich bekam ohnehin keine Gelegenheit, das herauszufinden. Denn plötzlich blieb Rose stehen, warf den Kopf zurück und schrie.
Ihre Haut bewegte sich, als würden sich die Knochen neu ordnen. Wie in einer Szene aus einem Horrorfilm. In Rose’ Körper tobte eine Schlacht.
Vom Boden her vernahm ich ein leises Stöhnen. Ich eilte zu Kiera und drückte eine Hand fest auf ihre Wunde. Mit ihrem Messer ritzte ich mir das Handgelenk auf, aber ob mein Blut sie heilen konnte, bezweifelte ich. Es würde ihr nur ein bisschen mehr Zeit verschaffen. Die Verletzung war zu schlimm, sie hatte nur noch wenige Sekunden zu leben.
»Es tut mir leid«, flüsterte Kiera.
»Leid? Was sollte dir denn leidtun?«
»Hab dich ... falsch eingeschätzt.«
»Ist schon in Ordnung.« Ich strich ihr übers Haar. »Ist schon in Ordnung.«
Sie lächelte fast heiter, als gäbe es in ihrem Universum keinen Schmerz mehr.
»Kiera?«
»Es ist nett hier. Da ist ein Licht. Es ist friedlich.«
Dann starb sie. Meine Partnerin - meine Freundin - war von dieser Welt gegangen, und ich hielt nur noch eine leere Hülle in Händen.
Tränen traten mir in die Augen, dennoch lächelte ich. Da ist ein Licht, hatte sie gesagt, und das, fand ich, war schon etwas wert.
Ich wiegte ihren Kopf. Ich hatte heute mehr als nur Kiera verloren. Das Gefäß war zerbrochen. Ich hatte Rose’ Leben aufs Spiel gesetzt, und ich hatte verloren. Großer Gott, ich hatte verloren!
Ich hatte mich aufgemacht, sie zu beschützen, und einmal mehr kläglich versagt.
Jetzt gab ich mir keine Mühe mehr, die Tränen zurückzuhalten, sondern ließ ihnen freien Lauf.
Ich beobachtete Rose’ Körper, in dem diese fürchterliche Schlacht ausgetragen wurde. Er stürzte zu Boden und war nur noch eine einzige zerschrammte, zerschlagene Schweinerei.
Und er lag eindeutig im Sterben.
Vorsichtig legte ich Kieras Kopf auf den Boden und krabbelte zu Rose. Meine Finger tasteten sich über ihr Gesicht, ihr Haar. Großer Gott, was habe ich getan?
Ich blickte auf. Deacon war wieder in seinem Körper. »Erstich sie!« Es war ihm todernst. »Erstich sie! Schnell, bevor er zurückkehren kann.«
Ich hob das Messer und hielt es hoch. Ich konnte nicht. Ich konnte nicht das Leben meiner kleinen Schwester beenden.
»Verdammt, Lily! Vertrau mir!«
Entsetzen blitzte in Rose’ Augen auf. Ich konnte nur nicht sagen, ob es Johnson oder meine Schwester war.
Die Tränen trübten meinen Blick, und Deacons Stimme schien überall zu sein.
»Schnell, Lily! Du musst es sofort tun. Vertrau mir.«
Ich zögerte nur noch einen kurzen Moment. Denn ich vertraute ihm. Ich traute Deacon. Und ich wusste, ich musste Johnson daran hindern zurückzukommen.
Aber was ich auch tat, ich hatte versagt. Meine Schwester war unwiderruflich tot.
Und während mir die Tränen über die Wangen liefen, stieß ich Rose das Messer ins Herz.
Ich brach zusammen, neben ihr auf dem Boden, und sah zu, wie das Blut aus der Leiche meiner Schwester sickerte. Ich fühlte mich so tot, wie sie es war, und nicht einmal der Geruch von Blut konnte mich noch locken. Ich lag einfach nur da, verloren. Die Last meines Scheiterns wog einfach zu schwer.
Hinter Rose’ Leiche zuckte plötzlich Kieras Körper. Erst trat sie um sich. Dann setzte sie sich auf. Ihre Finger fuhren zu der Wunde, die das Messer ihr zugefügt hatte. Als sie feststellte, dass sie verheilt war, riss sie die Augen auf.
Klopfenden Herzens setzte ich mich ebenfalls auf. Ich hielt den Atem an, wagte nicht zu hoffen. Wagte nicht zu glauben.
Doch dann blickte sie mir ins Gesicht, und ich sah es in ihren Augen, noch bevor sie ein Wort sagte. »Lily?«, fragte meine Schwester. »Was ist mit mir passiert?«
Erleichterung durchflutete mich und wärmte mich wie eine flauschige Decke. Ich schaute zu Deacon, weil ich die Antwort wirklich nicht kannte. Ich konnte nichts weiter tun, als über den Boden zu ihr hinzukrabbeln und sie fest in die Arme zu schließen.
»Ich habe sie
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