Blood Lily Chronicles 02 - Zerrissen
verschließt. Ihr Fleisch, ihr Blut, zum Zeitpunkt der Konvergenz ins Portal geworfen. Und du brauchst nur deinen Arm sinken zu lassen, um Erlösung zu erlangen. Lass deinen Arm sinken, und lass mich das Mädchen mitnehmen.«
Ich schluckte vor Angst, Deacon könnte genau das tun. Alles verschwamm vor meinen Augen, dann sah ich, dass Rose - groß und aufrecht mit dem neuen pinkfarbenen Haar - Deacon Kieras Messer an die Schläfe drückte. »Wenn du meiner Schwester in den Rücken fällst, bringe ich dich um.«
Deacon würdigte Rose keines Blickes. »Ich würde ihr nie in den Rücken fallen.« Dann riss er sich von Rose los, entwand ihr im gleichen Atemzug das Messer und schnitt sich die linke Hand ab.
»Deacon!«
»Meine Hand habe ich schon vor langer Zeit verloren.« Er sah mir in die Augen. »Ich habe sie in einen Fluss aus Säure gesteckt.«
Fassungslos beobachtete ich, wie das Körperglied zu Boden fiel, seine Form veränderte, schrumpfte, sich wand und in etwas verwandelte, das an einen kleinen goldenen Käfig erinnerte.
Mit übermenschlicher Geschwindigkeit bückte sich Deacon danach und hob es auf. Und noch ehe ich auch nur blinzeln konnte, warf er es mir an die Brust.
Es traf mich jedoch nicht. Das Ding schien ein Eigenleben zu besitzen. Es krümmte und verbog und schob sich über den Edelstein an der Oris-Clef -Halskette und bildete so etwas wie ein Schmuckgehäuse. Kaum hatte es seine Umwandlung vollendet, begriff ich.
Das war das dritte Relikt. Deacon hatte es gar nicht zerstört, er hatte es versteckt. Und jetzt beherrschte ich den Oris Clef und konnte alle Macht ausüben, die von ihm ausging.
Und dann kam Deacon wieder mit dieser unglaublichen Geschwindigkeit angerast. Seine Füße berührten nicht einmal den Boden. Er packte mich und zog mich aus Gabriels Windhose. Ich war total geschockt und zitterte am ganzen Leib, aber ich wusste, was ich zu tun hatte, und dank Clarence’ Kräften, die mir durch den Kopf brausten, rief ich das Portal an.
Es klappte. Gott sei Dank klappte es! Ein Portal öffnete sich am Boden in unmittelbarer Nähe. Gabriel rannte hinter uns her, die Hand ausgestreckt, um uns anzusaugen. Doch seine Macht konnte Deacons massiven Kraftschild nicht durchdringen. »Rein!«, brüllte der, und er, Rose und ich sprangen hinein. Das Portal schloss sich hinter uns, auch wenn Gabriels Energie uns nach hinten riss.
Aber er kam zu spät. Wir befanden uns in der Leere.
Zumindest im Moment waren wir in Sicherheit.
Allerdings war die Gefahr noch nicht vorbei. Das war mir klar. Er brauchte mich nicht nur, um die Pforten zu verschließen, er wusste auch, dass ich den Oris Clef hatte. Und er glaubte, ich würde ihn benutzen. Er glaubte, dass ich die Dämonen nicht aussperren, sondern mich zu deren Herrscherin aufschwingen würde.
Zwei Visionen meiner Zukunft, und beide umwarben mich. Dunkelheit oder Licht. Ich würde mich entscheiden müssen.
Beim Gedanken, was ich in Gabriels Kopf gesehen hatte, lief es mir kalt über den Rücken. Die Horden von Dämonen, die sich vor mir verbeugten, mich verehrten.
Diese Vision hatte mich ebenso abgestoßen wie, leider und dummerweise, fasziniert und in Versuchung geführt. Eine Macht auszuüben, wie ich sie bei Penemue erlebt hatte. Könnte ich das? Verfügte ich über die Kraft, mich an die Spitze der Dämonen zu stellen? War mein Schicksal etwa, sie auf die Seite der Guten zu ziehen? Ihnen und mir zu helfen, Erlösung zu finden?
Oder suchte ich nur Ausreden, um in die Finsternis überzuwechseln?
Ich wusste nicht, was die Zukunft für mich bereithielt. Hatte keine Ahnung, was ich tun würde.
Ich wusste nur, ich hatte meine Schwester wieder. Wir waren beide frei.
Ich umfasste den Oris Clef, dieses seltsame Relikt, das für mich sowohl Seelenheil als auch Verdammnis bedeuten konnte. Trotz meiner ungewissen Zukunft war ich glücklich, ihn gefunden zu haben.
Denn jetzt hatte ich die Federführung übernommen.
Nun musste ich nur noch am Leben bleiben.
Über die Autorin
Julie Kenner ernährte sich vier Jahre lang intravenös von Riesenmengen Milchkaffee (mit fettfreier Milch), um gleichzeitig schreiben, als Rechtsanwältin arbeiten und sich um ihr Kind kümmern zu können. Dann besann sie sich eines Besseren, verließ die Kanzlei und konzentrierte sich ganz aufs Schreiben. Ihre Bücher eroberten die Bestsellerlisten und wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Mit ihrem Mann, zwei Töchtern und drei Katzen lebt sie nun in Georgetown,
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