Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung
geht.«
6
»Und was genau machst du jetzt?«, fragte ich, während Rachel uns durch die Küche ins Pub führte.
»Nur Geduld!« Rachel schwang sich hinter den U-förmigen Tresen aus Eichenholz, gab mir jedoch nicht den kleinsten Hinweis auf das, was sie vorhatte. Ich tippte nervös mit dem Fuß und wurde zunehmend frustrierter. Immerhin war ich die Wahnsinns-Dämonenkillerin - und jetzt stand ich da wie bestellt und nicht abgeholt. Finden Sie den Fehler in diesem Bild!
Sie gab uns ein Zeichen, dass wir uns setzen sollten, und stöhnte dann übertrieben laut auf, als es plötzlich an der Fensterscheibe klopfte.
»Ich schau mal nach. Bleibt ihr hier.« Rachel ging zur Tür. Argwöhnisch folgte ich ihr. Doch, doch, ich wusste noch, dass sie im Pub unverwundbar war, aber für mich war dieser spezielle Zauber bislang durch nichts bewiesen.
»Jarel«, sagte sie, nachdem sie durch die Scheibe gespäht hatte. Sie sperrte auf und öffnete die Tür. »Wir haben geschlossen.«
Ein Mann mit roten Zottelhaaren in silberbeschlagener Bikerjacke und schmutziger schwarzer Jeans trat näher. »Seit wann habt ihr um zehn noch zu, Rachel?«
»Tut mir leid, Jarel. Personalmangel.«
Er beugte sich vor, starrte erst mich an, dann sah er zum Tresen, schließlich zu Rose. »Ihr seid doch genug, um mir ein Bier einzuschenken.«
»Es ist geschlossen«, wiederholte Rachel mit mehr Nachdruck. Aber als sie die Tür zuschlagen wollte, stellte er einen Fuß dazwischen und blockierte sie. Ich machte einen Schritt vor und dachte schon, ich müsste mich einschalten.
Doch Rachel hatte alles im Griff. »Lass es gut sein, Jarel! Wir haben zu. Komm um fünf wieder, dann gebe ich dir ein Guinness aus.«
»Tatsache?«
»Versprochen.«
»Na, das ist doch ein Wort.«
Der Widerling verzog sich, Rachel sperrte ab und zog die violetten Vorhänge vor die Fenster, um jede weitere Störung zu verhindern.
»Ein treuer Kunde«, bemerkte ich.
»Ein Dämon, sogar ein ziemlich übler Bursche. Aber er zahlt jedes Mal brav sein Rechnung.«
Seufzend warf ich noch einmal einen Blick zur Tür. Nur wenn er mit einem Messer auf mich losgegangen wäre, hätte ich ihn bei einer Gegenüberstellung als Dämon herausgepickt. Offenbar wusste Rachel tatsächlich, wovon sie redete. Jedenfalls wenn es darum ging, Dämonen aufzuspüren. Hinsichtlich der Suche nach Deacon hatte ich da so meine Zweifel.
»Er ist einer von denen, die ich dir später gezeigt hätte«, fügte sie hinzu.
»Wie bitte?«
»Um ihn umzubringen. Damit du stärker wirst.« Sie schaute ebenfalls noch mal zur Tür. »Er würde dir den Kopf abreißen, wenn er glauben würde, du könntest die Pforte schließen. Töte ihn. Werde stärker. Und mach die Erde zu einem besseren Ort.«
»Vielleicht.« Die Versuchung schwappte in mir hoch. Auf der einen Seite machte mich der bloße Gedanke daran, einen Dämon umzulegen, schon ganz unruhig. Musste ich aber auf der anderen Seite deswegen wirklich durch die Gegend rennen und meinen Hals riskieren? Selbst wenn dadurch die dämonenverseuchten Straßen sicherer wurden?
»Ich meine ja nur«, sagte Rachel.
»Konzentrieren wir uns lieber auf Deacon.« Ich setzte mich wieder. »Also, was hast du jetzt vor?«
»Ich wahrsage«, antwortete sie, und ich nickte wissend, weil ich nicht zugeben wollte, dass ich keine Ahnung hatte, wovon sie sprach.
Gott sei Dank war Rose da weniger stolz. »Hä?«
»Wahrsagen ist eine Art geistige Sehkraft. Die Fähigkeit ist nicht sehr weit verbreitet, aber es ist eins meiner Talente. In meiner Familie waren alle Frauen in der Lage wahrzusagen.« Sie schaute mich an. »Außer Alice. Ihre Visionen gingen in eine andere Richtung.«
Ich nickte spöttisch. Erst hatte ich angenommen, meine übersinnlichen Fähigkeiten seien Teil meiner Existenz als Frau der Prophezeiung. Aber bald schon hatte ich nicht nur herausgefunden, dass ich diese Gabe von Alice übernommen hatte, sondern auch, dass mein dämonischer Betreuer davon nichts wusste. Und ich hatte es die ganze Zeit über für mich behalten, selbst als ich noch keine Ahnung hatte, dass mich diese Schweinebande hinters Licht führte. Was soll ich sagen? In mir steckte seit jeher eine kleine Rebellin. Und obwohl ich glaubte, für die himmlischen Heerscharen zu arbeiten, konnte ich meinen Charakter ja nicht einfach an der Garderobe abgeben, oder?
Jedenfalls war es Alice’ zweitem Gesicht zu verdanken, dass ich in Rachels Kopf schauen konnte. Und ich traute ihr (mehr oder weniger),
Weitere Kostenlose Bücher