Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung
schon gar nicht jetzt, wo dessen Wut ihren Höhepunkt erreicht hatte.
Ich spürte ein scharfes Schnalzen, als wir uns aus Gabriels Griff rissen, dann schossen wir die restlichen Meter durch den wirbelnden Nebel der Windhose, brachen schließlich auf der anderen Seite wieder heraus und landeten krachend auf Rachels Couch. Es krachte sogar dermaßen, dass sie umkippte.
Ich sah zu Deacon hoch. Tausend Gefühle loderten gleichzeitig in mir auf. »Bist du verrückt geworden? Wieso bist du gekommen? Was ist mit dem Zeitproblem?«, schrie ich ihn an. Mit den Fäusten trommelte ich auf seinen Brustkorb ein. »Wir hätten die Konvergenz verpassen können. Wir hätten alles verlieren können.«
Als ich mit dem Hämmern aufhörte, schloss er mich in seine Arme. Meine Wange lang an seiner nackten Brust. Er zitterte vor Anstrengung, die Selbstbeherrschung nicht zu verlieren, seine Stimme klang wie ein Grollen, wie ein ferner Donner, der mir durch Mark und Bein ging. »Es ist nicht zu spät. Gabriel irrt sich. Es gibt einen anderen Weg. Einen Weg für uns beide. Gemeinsam werden wir die Pforte versiegeln.«
Ich schloss die Augen. Erschüttert holte ich Luft, denn er hatte natürlich recht, was den Grund meiner Besorgnis anging. Es war weniger die Angst, Zeit verloren zu haben, als vielmehr das, was ich gesehen hatte. Was Gabriel mir gezeigt hatte. Und wozu ich wahrscheinlich gezwungen sein würde. Wenn ich die Welt retten wollte, und somit auch Rose, blieb mir vermutlich keine andere Wahl.
»Trotzdem hättest du das Risiko nicht eingehen dürfen.« Ich war mit den Nerven am Ende und dementsprechend streitsüchtig.
»Du warst in Schwierigkeiten«, entgegnete er. Seine Muskeln spannten sich an. Seine Stimme duldete keinen Widerspruch. »Du warst in Schwierigkeiten, und ich musste etwas unternehmen.«
»Weil ich in Gefahr war? Oder weil du vielleicht deine Chance auf Vergebung eingebüßt hättest?« Denn seine Vision war eindeutig gewesen. Wenn wir zusammen die Pforte versiegelten, würde er Vergebung erlangen. Wenn ich es auf eigene Faust schaffte, dann könnte er sich die Absolution mit ziemlicher Sicherheit endgültig abschminken, egal, wie viel Gutes Deacon in der Zwischenzeit getan hatte, egal, wie sehr er geholfen hatte. Meiner Meinung nach war das ganz schön mies. Aber mich fragte ja keiner.
»Beides«, antwortete er verblüffend ehrlich. Er holte tief Luft, alle Muskeln waren zum Zerreißen gespannt, um die Selbstbeherrschung nicht zu verlieren. »Ich beschütze, was mir gehört, Lily.«
Ich dachte an Rose und schloss die Augen. »Ich auch«, sagte ich leise, löste mich aus seinen Armen und drehte mich um. Und schrie auf. Direkt vor mir stand Morwain.
»Herrin.« Er begrüßte mich mit einer tiefen Verbeugung.
»Was zum Henker soll das?«
»Ich habe ihn gerufen«, vernahm ich Rose. Erst jetzt fiel mir auf, dass sie ebenfalls im Zimmer war. Sie war von einem Stuhl in Fensternähe aufgesprungen und machte ein besorgtes Gesicht. »Deacon hat es gesehen. Durch das Portal, meine ich. Er konnte Gabriel sehen oder fühlen oder so ähnlich.« Sie schaute zu Deacon, als erhoffe sie sich von ihm eine genauere Erklärung, aber der nickte nur. Als nichts weiter von ihm kam, wandte sie sich wieder mir zu. »Aber wir wussten ja, dass er dir nicht einfach so zu Hilfe kommen konnte. Wegen der Sache mit dem Zeitsprung. Dann fiel mir ein, was er gesagt hatte«, fügte sie mit einem Kopfnicken in Morwains Richtung hinzu. »Also habe ich ihn gerufen und ...«
»Du hast einem Dämon unsere Rückkehr anvertraut?« fragte ich Rose entgeistert, drehte mich aber gleich darauf Deacon zu. »Und du hast das zugelassen? Habt ihr zwei noch alle Tassen im Schrank?«
»Herrin ...«
»Nein.« Ich zog das Messer und richtete es auf ihn. »Nein und nochmals nein.«
Er senkte das Haupt und trat zwei Schritte zurück.
»Was hätten wir denn tun sollen?«, verteidigte sich Deacon, der finster das immer noch aufgeschlagene Buch anstarrte.
»Und ich habe ihn nicht aus den Augen gelassen«, ergänzte Rose und tippte mit der Spitze ihres Messers lässig gegen die Hand.
»Ja prima!«, schimpfte ich. »Da geht's mir gleich sehr viel besser!« Ich deutete auf Morwain. »Ich muss runter. Um den da kümmert ihr euch.«
Ich war ungerecht und unvernünftig, aber nach dem, was Gabriel mir gezeigt hatte, hatte ich wohl jedes Recht dazu. Sollten sie doch zusehen, was sie mit dem Dämon im Wohnzimmer anfingen. Ich ging die Treppe hinunter ins Pub. In
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