Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung
Pforte zu schlüpfen, schaffen es die Dämonen trotzdem in unsere Welt. Es sind ja schon welche da, also muss es noch andere Wege geben.«
Fragend blickte ich zu Deacon, der nickte. »Mit schwarzer Magie kann man ein Portal öffnen und einen Dämon herüberlotsen. Aber es ist schwierig, und es schaffen höchstens zwei auf einmal. Hier allerdings ... Hier würden Millionen über uns hereinbrechen.«
Rose nickte und schlang die Arme um sich. »Ich will bloß, dass es vorbei ist.«
»Ich weiß«, sagte ich. Wie gern hätte ich ihr diesen Wunsch erfüllt. »Glaub mir, das weiß ich.«
Rachel umarmte sie erneut. »Wenn du mich brauchst, ich bin unten.«
»Das kriegen wir schon hin«, entgegnete ich und nahm Rose bei der Hand. »Nun geh schon.«
»Alles klar. Ich kümmere mich im Pub um alles, spüre sie auf, belausche sie und finde heraus, wer auf Ärger aus ist.«
Ich packte sie am Arm. »Pass auf dich auf und mach keine Dummheiten!«
»Gleichfalls.« Dann verschwand sie aus der Tür, und ich hörte ihre Schritte auf der Treppe leiser werden. Jetzt waren es nur noch wir drei. Und das Buch.
»Bereit?«, fragte ich.
»Sei vorsichtig!« Deacon hob den Arm und nickte zu der fehlenden Hand. »Denk an die Säure.« Seine Hand hatte er bei der Suche nach einem Bestandteil des Oris Clef eingebüßt, und nur, weil er mich rechtzeitig gewarnt hatte, war mir dieses Schicksal erspart geblieben.
»Ich glaube, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Alice’ Mutter wollte ja, dass ihre Tochter den Dolch findet.«
»Alice schon - aber sonst niemand.«
Auch wieder wahr. Vielleicht gab es Fallen. Auch wenn ich aussah wie Alice, wusste ich doch nicht viel über ihr Leben. Wenn sie und ihre Mom Geheimnisse miteinander hatten, die ihr helfen würden, einen Hindernisparcours zu bewältigen, sah ich alt aus.
»Na ja, das werde ich bald erfahren.« Ich setzte das Messer an. »Hoffe ich zumindest.« Ich drückte mir die Spitze ins Fleisch, bis ein dicker Blutstropfen herausquoll. Deacon hatte das Buch auf den Tisch gelegt und die Seite mit der Widmung aufgeschlagen. Jetzt hielt er mich am Handgelenk fest. Ich wartete - aus Furcht, es könnte nicht klappen, und gleichzeitig aus Furcht, es könnte sehr wohl klappen. Wenn man durch ein Portal gezogen wird, ist das kein Zuckerschlecken. Obwohl der Sog diesmal die Welt retten konnte - und nicht zuletzt mich -, hielt sich meine Vorfreude auf dieses irre Zerren an meiner Taille durchaus in Grenzen.
Aber offenbar, dachte ich, nachdem ich eine halbe Minute vor mich hin geblutet hatte, werde ich dieses Gefühl heute nicht spüren.
Denkste! Ich hatte die Worte in Gedanken kaum ausformuliert, da kam das Zerren auch schon. Ein scharfer Zug nahe an meinem Nabel, und dann - Lieber Gott, bitte steh mir bei! - stürzte ich durch den freien Raum, wurde eingesogen in den Wirbel, der sich von dem einfachen Buch auf dem Tisch erhob. Farben kreisten um mich herum, ich verlor jedes Gefühl für Raum und Zeit. Ich war schon durch Portale hindurchgegangen, aber immer nur zu Orten auf der Erde, nie in eine andere Dimension. Keine Ahnung, auf was ich mich einstellen musste.
Oder ob diese Reise jemals zu Ende gehen würde, denn sie dauerte und dauerte und dauerte, und gerade als ich zu der Auffassung gelangt war, das Ganze sei eine sauber ausgetüftelte Falle, um mich hier im Niemandsland festzunageln, plumpste ich auf eine glasartige schwarze Oberfläche.
In einen komplett schwarzen Raum, genauer gesagt. Die Oberfläche war fest, aber stark aufgeraut. Wie aus Lava, die man abgekühlt und dann ungleichmäßig abgehobelt hatte, um Ecken und Kanten zu erzeugen, so glatt und scharf wie Glas.
Von jeder Oberfläche wurde mir mein Spiegelbild entgegengeworfen. Mein Gesicht leuchtete, als würde es von einer unsichtbaren Lichtquelle angestrahlt. Was ich jedoch nirgends sah, war ein Dolch. Sofort suchte ich alle Wände nach den Überresten der Windhose ab, durch die ich zurückreisen konnte. Denn ich wurde den Eindruck nicht los, dass hier irgendetwas faul war. Dass in diesem Raum Gefahren lauerten. Der Tod. Beziehungsweise etwas, das dem Tod so nahekam, wie es in meinem Fall eben möglich war.
Konkrete Auslöser für meine Angst fand ich nicht, dennoch blubberte sie in mir vor sich hin. Ich wollte hier raus. Und zwar so schnell, dass ich bereits zur Windhose unterwegs war, die inzwischen nicht mehr größer war als ein glühender Nadelkopf an der gegenüberliegenden Wand.
Als ich den Arm danach ausstreckte,
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