Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung
Schlüssel ist weg, Deacon. Kapierst du das nicht? Wir haben das Buch gefunden, wir haben Margarets Versteck für den Dolch gefunden.« Ich schnippte mit den Fingern. »Und weißt du, was weg bedeutet? Weg bedeutet, dass ich in der Scheiße stecke. Weg bedeutet, dass ich, wenn ich Rose retten will, dass ich ...« Ich beendete den Satz mit einem Fluch, den ich nicht laut über die Lippen brachte. So sagte ich bloß: »Scheiße.« Dann marschierte ich zur Tür.
Diesmal versuchte er nicht, mich aufzuhalten. Sein Glück, denn ich hätte es auf einen Kampf ankommen lassen. Ich eilte durch den Schankraum, weiter zur Küche, dann nach hinten durch den alten Steinflur zur Metalltür, die auf die Gasse führte. Ich riss sie auf, stampfte ins Freie und atmete erst mal tief durch. Schon am Nachmittag lag die Gasse im Dunklen, im ewigen Schatten. Früher war es mir hier immer unheimlich gewesen. Jetzt fühlte es sich gut an. Als wäre ich hier zu Hause.
Ich lehnte mich an die verdreckte Ziegelmauer und suchte nach irgendwelchen Kreaturen, die auf Ärger aus waren. Keine da. Was war denn mit den hiesigen Dämonen los? Wo steckten die fetten Bosse, die mir die künftige Krone abjagen wollten? Keiner da? Nicht mal ein perverser Dämonenwichser, der meinen unsterblichen Kopf als Wandschmuck begehrte? Ich war ganz scharf auf einen kräftigen Schuss dunkler Macht. Je mehr Essenz ich absorbierte, desto wahrscheinlicher würde ich mich für den Oris Clef entscheiden.
Meine Finger schlossen sich um die Halskette. Ich spürte, wie die rohe Energie meinen Körper durchdrang. Eine Andeutung der Macht, die mir der Schlüssel verleihen würde. Seufzend hieß ich sie willkommen. Auch wenn ich sie gar nicht haben wollte und auch gar nicht glaubte, sie kontrollieren zu können, so flößte sie mir doch nicht so viel Angst ein wie der Gedanke, mit Gabriel mitzugehen.
Schmerz. Für immer und ewig.
Also echt, das konnte unmöglich etwas Gutes sein!
Ich schloss die Augen, um die Tränen zurückzudrängen, denn ich wusste, ich musste es tun. Ich hatte gesehen, was sonst passieren würde. Der Erde. Rose.
Mir blieb keine Wahl.
Und dennoch fürchtete ich, einen Rückzieher zu machen, wenn es endgültig so weit war.
Die Tür krachte auf, Deacon stürmte heraus, finster, unheilverkündend, zielstrebig. Das Ziel war ich.
»Egal, was du vorhast, Lily, lass es bleiben! Der Dolch existiert noch. Er ist nicht weg, Lily. Margaret ist bestimmt auf Nummer sicher gegangen, damit Alice ihn auch ja findet.«
»So?« Ich konnte die Tränen nicht länger zurückhalten, in Strömen flossen sie mir über die Wangen. »Falls du es vergessen haben solltest: Ich bin nicht Alice. Ich weiß nicht, wo der Dolch ist, und ich weiß auch nicht, wo ich noch suchen soll.«
Ich kniff die Augen zusammen und ballte die Hände so fest zu Fäusten, dass mir die Fingernägel die Haut aufritzten. »Du hast es umsonst getan«, fuhr ich fort. »Du hast deine Chance auf Vergebung für nichts und wieder nichts verspielt. Denn ich kann dir nicht mehr helfen.« Ich legte ihm eine Hand auf die Wange. Ich wollte ihn spüren. Und ich sehnte mich nach mehr als nur nach dem Gefühl seiner Bartstoppeln. »Wir sind beide am Ende. Das muss dir doch auch klar sein, du bist schließlich nicht blöd. Was regst du dich noch so auf?«
»Warum ich mich so aufrege?«, knurrte er und schob mich vor sich her, bis ich mit dem Rücken an die Mauer stieß und mich nicht mehr rühren konnte. »Warum ich mich so aufrege?«, wiederholte er. »Nach allem, was passiert ist, kannst du da wirklich so verbohrt sein? Weißt du nicht, wie sehr du mein Leben beeinflusst? Ist dir das nicht klar? Du bedeutest für mich Freiheit, Lily. Freiheit von allem Dunklen. Mit dir kann ich das alles zurückdrängen, kontrollieren, bekämpfen.«
Er presste die Hände gegen die Mauer, nur wenige Zentimeter neben meinem Gesicht. »Du gehörst mir, Lily.« Sein Atem strich mir durch die Haare. »Mir geht es nicht mehr um Vergebung, Lily, sondern um dich. Und ich lasse nicht zu, dass du dich opferst, wenn es eine andere Möglichkeit gibt.«
»Daran glaube ich nicht mehr. Und ich verstehe dich sehr wohl.«
»Du irrst dich! Glaub mir: Du verstehst mich nicht. Das kannst du gar nicht.«
Mit diesen Worten stieß er sich von der Mauer ab, nahm mein Gesicht fest in beide Hände und sah mir tief in die Augen. Der Hautkontakt kam für mich überraschend, das Einrasten der Verbindung traf mich unvorbereitet. Ich versuchte noch
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