Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung

Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung

Titel: Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kenner
Vom Netzwerk:
wegzuschauen, er aber hauchte nur ein Wort: Nein.
    Und dann war ich drin.
    »Du willst mich verstehen? Dann folge mir.«
    »Nein«, schrie ich. »Das habe ich schon gesehen. Ich habe es gefühlt, ich habe es erlebt.« Und ich würde es nicht noch einmal ertragen können. Aber er hörte nicht auf mich. Er nahm mich mit in die Tiefe, in die Abgründe, die Hitze, den Schmerz.
    Das geröstete Fleisch schälte sich von den Knochen. Tiere nagten an den Körpern der Lebenden. Man trieb ihnen Splitter durch die Haut, durch die Augen und durch andere empfindliche Teile. Insekten krochen durch das Fleisch, das von Würmern schon in Besitz genommen war. Fäulnis. Säure. Brandmale. Und der Gestank und das Geschrei der Verdammten rings umher.
    Es war schlimmer als das vorige Mal. Kaum zu glauben, aber wahr. Und ich erkannte, dass alles, was ich in Penemues Kopf gesehen hatte, seine eigene Erfahrungen gewesen waren. Kein Vergnügen - welcher Ausdruck könnte unpassender sein? sondern ein Schmerz, den er befehligte, den er sich selbst zufügte und sich darin suhlte.
    Allmächtiger Gott, er hatte den Schmerz in sich aufgesogen. Danach gelechzt. Ihn herbeigesehnt.
    Deacon hatte ihn zugleich gefürchtet und verachtet, dafür musste er büßen. Doppelt und dreifach. Selbst jetzt noch. So wie ich jetzt litt, auch wenn ich mich hinter dem Schutz von Deacons Gedanken verbarg.
    Er ließ mich nicht raus. Er zwang mich zuzusehen. Und ich tat das Einzige, wozu ich in der Lage war: Ich schrie und schrie und schrie.
    Ich weiß nicht, wie lange die Vision schon zu Ende war, bis ich endlich aufhörte zu schreien. Haut und Rachen fühlten sich aufgeraut an. Die Augen taten mir weh, der Geruch von verbranntem Fleisch hing an mir. Ich rollte mich auf dem Asphalt zusammen und zog die Beine hoch bis zur Brust. Ich zitterte am ganzen Körper, während ich um Atem rang und mir einreden wollte, damit käme ich klar. Dass ich, falls nötig, dieses Leid auf mich nehmen würde.
    Lieber Gott im Himmel, was bin ich doch für eine Lügnerin!
    »Das habe ich verdient.« Deacons Stimme triefte vor Selbstekel. »Für das, was ich getan habe. Ich hätte sogar eine sehr viel härtere Strafe verdient gehabt. Aber du nicht. Du hast so etwas ganz und gar nicht verdient.«

15
    Zitternd lag ich da und kämpfte gegen die Angst - gegen das fürchterliche Wissen, dass das, was ich tun sollte, ja tun musste , um die Erde zu retten, mich zu Tode erschreckte. Ich hatte es erfahren. Ich hatte es gefühlt. Und mir war völlig unklar, wie ich es ertragen sollte.
    Die Reise in Deacons Kopf hatte keine fünf Minuten gedauert, und trotzdem war ich wie am Boden zerstört, als wäre mein Körper völlig zerfetzt worden. Als könnte ich niemals mehr ganz werden.
    Wie hätte ich mich gegen diese Aussicht nicht wehren sollen? Wie hätte ich da nicht den Wunsch haben sollen, davor zu fliehen?
    Ich schlang die Arme um die Knie und schaukelte hin und her. Ich hasste zwar meine Feigheit, aber die scharfen Hauer der Angst konnte ich nicht wegdiskutieren. Ich hatte Mördern und Vergewaltigern die Stirn geboten. Und auch Dämonen. Ich hatte geglaubt, ich wüsste, was Angst bedeutet.
    Ich hatte mich getäuscht. Die Angst versteckt sich, bis man selbstgefällig wird, dann fällt sie einen an. Sie schlägt erbarmungslos zu und raubt einem auch noch die kleinste Hoffnung, dass man sich doch noch aufraffen und das Richtige tun könnte.
    Ich konnte es nicht. Lieber Gott, steh mir bei! Aber ich konnte es nicht.
    »Reiß dich endlich zusammen, Lily!« Deacons Tonfall war ebenso unnachgiebig wie seine Miene. »Du musst es auch nicht.« Er reichte mir die Hand. »Wir brauchen doch nur den Dolch zu finden.«
    Aber mit dem letzten bisschen Mut hatte mich auch jegliche Hoffnung auf ein Wunder verlassen. Und ein Wunder musste geschehen, wenn wir den Dolch noch finden wollten. Zumindest rechtzeitig. Es wurde schon Nacht; bald blieben uns nur noch zwei Tage.
    Zwei Tage, bis ich meine spektakuläre Sammlung von Fehlschlägen mit dem größten von allen krönen würde.
    Wenigstens blieb ich mir treu, oder?
    »Nimm meine Hand, Lily.«
    Ich zögerte, aber die Phase des Selbstmitleids war vorbei. Ich konnte mich entweder zur Dämonenkönigin ausrufen (kam nicht in Frage) oder mein weißes Nachthemd für mein Debüt als Schlachtopfer anziehen (kam erst recht nicht in Frage), oder ich konnte den Arsch hochkriegen und das einzige Ding im ganzen Universum suchen, das mir noch aus der Patsche helfen würde. Wir

Weitere Kostenlose Bücher