Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung

Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung

Titel: Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kenner
Vom Netzwerk:
ausgeruht hatte. Da ich keine Lust hatte, noch mal aufzustehen und einen zweiten Löffel zu holen, teilten Rose und ich uns meinen.
    »Das haben wir früher zu Hause immer gemacht, weißt du noch?«, sagte Rose.
    »Klar weiß ich das noch.«
    »Glaubst du, es wird jemals wieder so sein?«
    Hoffnung lag in ihrer Stimme, und die wollte ich ihr keinesfalls kaputt machen. Also drückte ich ihre Hand. »Bestimmt.«
    Sie lächelte mich traurig an. »Lügnerin.«
    »Was? Kein Vertrauen mehr?« Überrascht hätte mich das nicht. Mein eigener Glaube an eine erfolgreiche Suche nach dem verlorenen Schlüssel schmolz rapide dahin.
    »Das ist es nicht.« Sie klang so ehrlich, dass mir ganz anders wurde. »Aber selbst wenn wir das Unheil aufhalten können, wird die Erde nie wieder sein wie vorher. Ich meine, die Leute haben doch gesehen, was los ist.«
    Ich nickte und fragte mich, ob sie wohl recht hatte. Gesehen hatten sie es, aber hatten sie es auch verstanden? Die Menschen hatten ein erstaunliches Talent, unangenehme Dinge zu verdrängen, und mich würde nicht wundern, wenn das auch für das drohende Ende der Welt gelten würde.
    »Was wird passieren?«, fragte Rose, sah mich aber nicht an, sondern zupfte an der Haut ihrer Fingernägel herum. »Ich meine, wenn du den Schlüssel nicht findest.«
    Ich schnitt eine Grimasse. Die Frage aller Fragen. »Keine Bange. Ich finde ihn.«
    Ob ich das Versprechen halten konnte, war keineswegs sicher, aber ich gab es aus ganzem Herzen.
    Ich nahm mir einen letzten Löffel Eis und ging dann wieder nach vorne in den Schankraum, um nachzuschauen, ob Deacon ein paar geniale Ideen ausgebrütet hatte. Denn ohne den verdammten Schlüssel stand ich wieder ganz am Anfang und hatte nur die Wahl zwischen Pest und Cholera.
    Deacon lief vor dem Fenster auf und ab und starrte hinaus in die aufziehende Dämmerung. Er strahlte eine Anspannung aus, die mich ganz nervös machte. Vorsichtig ging ich zu ihm hinüber, ohne den Blick von seinem Rücken abzuwenden - nur für den Fall, dass ihm plötzlich wieder Flügel wuchsen.
    »Deacon?«
    Er blieb stehen und drehte sich so langsam zu mir um, als müsste er sich auf jede einzelne Bewegung voll konzentrieren. Ein Mann, der sich große Mühe gab, die Verbindung zu unserer Welt nicht abreißen zu lassen.
    »Kannst du es fühlen?«, fragte er. »Das Ziehen? Wie ein straff um die Hüfte geschlungenes Gummiband.«
    »Ich ...«
    »Und das Geräusch. Wie von einem Bienenschwarm.« Er neigte den Kopf und kniff die Augen zusammen. »Sie machen sich bereit.« Er sah mich an. »Sie kommen.«
    »Ich weiß.« Ich hatte dieses leichte Zerren auch schon gespürt. Und dazu die Lockrufe des Oris Clef vernommen, die immer drängender wurden und mich in Versuchung führen wollten. Ich kämpfte dagegen an, aber es wurde immer schwieriger.
    Auch für Deacon wurde es immer schwieriger.
    »Ich laufe nicht zu ihnen über. Ich wechsle nicht noch mal die Seiten.« Er reckte den Hals und betrachtete seinen Rücken. »Ich schwöre es dir hier und jetzt, Lily: Diesen Kampf werde ich nicht verlieren! Ich wechsle die Seiten nicht noch einmal.«
    Ich ging zu ihm, und er nahm mich fest in die Arme. »Ich weiß. Du bist keiner von ihnen. Jetzt nicht mehr.«
    Er hob mit einem Finger mein Kinn. »Und du?«
    Beschämt trat ich einen Schritt zurück. Meine Hand fuhr zum Oris Clef, der noch immer an der Kette um meinen Hals hing. Ich spürte seine Kraft. Wie Deacon war auch er auf die Konvergenz geeicht. Er dröhnte vor Energie, wärmte meine Finger und beflügelte Gedanken, die ich nicht denken durfte. Ich wusste, dass ich dieser Versuchung nicht im Geringsten nachgeben durfte, aber sie war zweifelsohne da.
    »Ich weiß nicht mehr weiter«, war alles, was ich schließlich zustande brachte. Er nickte seufzend.
    Außerdem lief mir die Zeit davon. Ich hatte bislang weder Penemue noch Kokbiel, noch Gabriel in unserer Dimension gesehen, aber nicht, weil sie so höflich gewesen wären, auf eine schriftliche Einladung zu warten. Nein, sie sammelten ihre Kräfte und warteten auf die Konvergenz. Kurz davor würden sie sich entweder den Schlüssel oder mich schnappen und dann in aller Seelenruhe den Zeitpunkt abpassen, an dem sich die Pforte öffnete.
    Lang war es nicht mehr hin. Gar nicht lang.
    Einen Moment schauten Deacon und ich in die Nacht hinaus. Die Straße war grau. Sie lag unter einer dünnen Ascheschicht von den Bränden, die im gesamten Stadtgebiet wüteten. Der Belag war voller Risse als Folge

Weitere Kostenlose Bücher