Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung
retten, indem ich den Rufer tötete, der um mindestens einen Kopf größer war und ein gutes Ziel abgab.
Dann würde der Rufer sterben.
Sonst würde der Priester sterben.
Sollte ich den Priester für die geringe Chance opfern, den Dolch noch zu finden?
Oder sollte ich den Rufer töten und darauf vertrauen, dass alles irgendwie schon gut ausgehen würde?
Bislang waren Vertrauen und ich nicht gerade die dicksten Freunde gewesen, aber versucht hatte ich es. Und als ich dem alten Mann nun in die Augen schaute, wusste ich, ich musste es erneut versuchen.
Ich umschloss fest den Griff, holte tief Luft und ließ das Messer fliegen.
Erwartungsgemäß erwischte ich den Rufer voll im Auge. Aber das spielte keine Rolle mehr.
Den Sekundenbruchteil, den ich überlegt hatte, hatte der Rufer genutzt und dem Monsignore die Kehle durchgeschnitten.
Nun hatte ich beide verloren, den Rufer und den Priester.
Ich hatte auf das Vertrauen gesetzt und verspielt.
Die Geschichte meines Lebens.
Die Leiche sackte zu Boden, Rose schrie frustriert auf. Der Duft frischen Bluts stieg mir in die Nase. In mir wand und freute sich der frisch verstorbene Dämon, er zog Befriedigung aus dem Massaker und forderte lautstark weitere Opfer - Dämonen, Menschen, er machte keinen Unterschied.
Ich schon, dachte ich. Ich schon.
Ich packte Rose am Arm und zog sie mit zur Tür.
»Der Priester«, rief sie. »Kannst du ihn nicht ...«
»Er ist tot.« Ich konnte zwar heilen, aber keine Toten wieder zum Leben erwecken. Ich hatte ihn verloren, und auf mir lastete die Schuld am Tod eines weiteren Geistlichen. Genauso, wie die Rettung der ganzen Welt auf mir lastete.
Ohne Geisel und ohne Rufer waren die Dämonen nur noch ein wilder Haufen. Ich würde nicht so weit gehen, zu behaupten, sie hätten uns frohen Herzens ziehen lassen, doch der Kampf zurück zur Straße war zwar heftig, aber kurz und endete damit, dass Rose und ich uns eine Reihe weiterer toter Dämonen gutschreiben konnten.
So weit, so gut. Aber als wir dann endlich unsere Ruhe hatten und vor der Kirche im Schein des fast vollen Mondes standen, kam eine weitere Dämonenmeute auf uns zugestiefelt. Die Klingen in ihren Händen funkelten im sanften Licht, ihre Gesichter - oder was man vernünftigerweise dafür halten musste - waren vor lauter Bösartigkeit völlig verzerrt.
»Kämpfen kannst du vergessen«, brüllte ich Rose zu. »Lauf!« Wir stürmten los, allerdings war uns bald der Weg zu meiner Tiger verbaut. »Scheiß drauf!« Ich schlug dem nächstbesten Auto die Scheibe ein. »Rein mit dir!«
Dieses Modell war nicht so leicht kurzzuschließen, aber schließlich brachte ich den Motor doch zum Laufen. Jetzt gab's nur eins: Gang rein und ab durch die Mitte. Ich lenkte jedoch nicht von den Dämonen weg, sondern direkt auf sie zu, ohne einen Gedanken ans Bremspedal zu verschwenden.
Das ekelerregende Geräusch von zerplatzendem Fleisch begleitet vom leicht quietschenden Klang, wenn blutige Körperteile auf Motorhaube und Windschutzscheibe klatschen, hallten in unseren Ohren nach.
Ich drückte weiter aufs Gas, schaltete nur die Scheibenwischer ein, um wieder was zu sehen, und versuchte die Tatsache zu ignorieren, dass Rose von all dem völlig unbeeindruckt schien und meinen Fahrstil, den ich als Dämonenrallye bezeichnen möchte, mit Gelassenheit zur Kenntnis nahm.
Als wir im Pub ankamen, war ich frustriert und stinksauer. Die Schuld am Tod des Priesters wog umso schwerer, als mir auch der Rufer durch die Lappen gegangen war. Dabei lief uns die Zeit davon. Bis zum Mondaufgang am Tag der Konvergenz war es nicht mehr lang hin.
Ich ging zum Tresen und zapfte mir gerade ein Guinness, als Deacon und Rachel die Treppe runterkamen. »Irgendwelche dämonischen Aktivitäten, während ich weg war?«, fragte ich und schaute beide abwechselnd an.
»Ich bin gerade erst aufgewacht«, sagte Rachel. Dass Rose eins weiterrückte, um ihr Platz auf der Sitzbank zu machen, nahm sie gar nicht zur Kenntnis. Sie setzte sich auf einen der Barhocker. »Mach mir auch eins.« Rachel nippte zwar eher an einem Glas Wein, aber den Wunsch nach einem kräftigen, frischen Guinness konnte ich ihr kaum abschlagen. Ich zapfte ihr eines und trank dann erst mal einen großzügigen Schluck von meinem, ehe ich mich Deacons widmete.
»Und?«, fragte ich.
Er schaute mich an. Seine Augen sahen mehr, als mir lieb war. »Was ist passiert?«
»Dreimal darfst du raten«, fuhr ich ihn an und knallte das Glas auf den Tresen, dass das
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