Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung
langsam in der höllischen Hitze verdampfte, die der gewaltige Dämon hervorrief. Das konnte kein anderer sein als Kokbiel.
Stimmt genau , du kleine Schlampe! Ich bin Kokbiel. Ich bin die Zerstörung und das Licht. Ich bin dein Ursprung und dein Verhängnis. Ich werde diesem dummen Kind den Kopf abreißen, wenn du mir nicht gibst, was ich will.
Den Oris Clef, meine Kleine.
Gib ihn mir, und du wirst an meiner Seite herrschen. Deine Schwester wird zur Prinzessin und dein Mann zum Prinzen erhoben.
Gib ihn mir und erfülle dein Schicksal als meine Erbin, denn mein Blut - meine Essenz - brennt in deinen Adern. Doch das weißt du ja schon.
Gib ihn mir! Gemeinsam können wir die Welt verändern.
22
Ich hielt den Oris Clef fest in der Hand.
Nie im Leben, nicht um alles in der Welt würde ich ihn einem Dämon wie Kokbiel überlassen.
Aber ich musste Rose retten. Ich musste etwas unternehmen, und zwar schnell, sonst würde ich nicht nur Rose, sondern die ganze verfluchte Welt verlieren.
Ich sah mich nach dem Portal um, musste aber feststellen, dass es sich gar nicht mehr unter mir befand. Das Beben hatte den Pylon nicht nur erschüttert, sondern auch abgesenkt, sodass er jetzt nicht mehr senkrecht, sondern schräg über dem Flussbett stand. Und das Portal war nicht einfach nur über mir, es war auch schon knapp sechs Meter entfernt.
Wenn ich mir nicht neuerdings Flügel wachsen lassen und hinfliegen konnte, war ich zur Untätigkeit verdammt. Nichts war’s mit dem Oris Clef mit meiner Selbstaufopferung, mit sonst irgendwas.
Die Pforte schließen konnte ich nur, wenn ich dort war, aber ich kam nicht hin.
Kokbiel hingegen, der sich unter mir aufrichtete, um die Flügel auszubreiten ...
Na ja, er würde solche Probleme nicht haben. Außerdem war mir klar, was gleich passieren würde. Ich wappnete mich für das nächste Erdbeben - das letzte, das ihn endgültig aus seiner Dimension in unsere schleudern würde.
Und wenn er erst einmal frei war, würde er kommen. Hoch zu mir.
Direkt zum Oris Clef, den ich um den Hals trug.
Jetzt, Kleine! Die Galgenfrist des Kinds läuft ab.
Er hatte Rose fest im Griff. Sie war blass und hatte Mühe zu atmen. Aber sie schrie nicht. Sie weinte nicht. Sie sah nur zu mir hoch. Ihr trotziger Blick flehte mich an, und ihre Lippen formten still ein Wort: »Nein.«
Scheiß drauf!
Ich wusste, was ich zu tun hatte, und suchte das Gelände unter mir nach Deacon ab. Er stand auf einem wippenden Betonbrocken. Sein Stahlseil war offenbar gerissen. Er balancierte hin und her wie auf einem Rettungsfloß und streckte einen Dämon nach dem anderen nieder, die ihn umwerfen und ins kochend heiße Wasser stürzen wollten.
»Deacon!«, schrie ich. »Flieg!«
Verwirrt blickte er zu mir hoch, als könne er gar nicht glauben, was er da gehört hatte. Als würde er definitiv wissen, dass ich ihn unmöglich bitten würde, wieder in seine dämonische Gestalt zu schlüpfen, weil ich damit alles, was zwischen uns war, verraten hätte.
Ich riss mich zusammen. So ungern ich es tat, es gab keinen anderen Ausweg. »Verdammt, Deacon, du hast gesagt, du würdest es tun, wenn ich dich darum bitte. Und jetzt bitte ich dich. Ich weiß, was ich zu tun habe. Aber du musst mich hinfliegen.«
»Lily, ich ...«
»Bitte.« Die Tränen erstickten fast meine Stimme. »Deacon, vertrau mir! Du musst mir vertrauen.«
Zögernd senkte er den Kopf, und als er wieder aufschaute, loderte in seinen Augen Feuer gepaart mit Selbstekel und erbitterter Überwindung. Und ich sah, wie sich seine kräftigen und mächtigen Flügel ausbreiteten. Er stieg auf. Ein majestätisches Geschöpf, dessen Selbstbeherrschung am seidenen Faden hing. Er kam geradewegs auf mich zugeschossen.
»Wohin?«, knurrte er.
»Nimm mich mit.« Ich hoffte, mein gewagtes Spiel würde glücken. Ich hoffte, der Dämon in ihm würde nicht ausbrechen und die Oberhand über den Menschen gewinnen. Ich ging ein enormes Risiko ein. Er konnte mich in der Luft zerreißen und meine Gliedmaßen einzeln in den kochenden Fluss werfen. Er konnte mir den Oris Clef abnehmen.
Wenn er mich erst einmal unter den Armen gepackt und hochgehoben hatte, konnte er mit mir machen, was er wollte. Dann war ich ihm hilflos ausgeliefert.
»Schnell!«, rief ich.
Unter uns erhob sich Kokbiel aus den Fluten. Um Rose hatte er einen Tentakel geschlungen. Aber ihr galt nicht mehr sein Hauptaugenmerk. Das galt jetzt, wie ich erfreut feststellte, mir.
Ein weiterer heftiger Stoß erschütterte
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