Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Gratton, T: Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Blood Magic # 1
über eine Ansammlung
von Steinkreuzen und gleichmäßigeren Grabsteinen. Die Zweige zeigten alle nach Süden, wahrscheinlich vom Wind so geformt.
Aus dieser Perspektive sah das alles ganz schön traurig aus.
»Ich sehe ihn«, sagte Silla und sprang von der Mauer. Ich rührte mich nicht. Ich konnte ihn nur mühsam erkennen, irgendwo in der Mitte, wo ihre Eltern begraben waren. Nach einigen Schritten drehte Silla sich zu mir um: »Nick?«
Ich sah sie nachdenklich an. »Ich glaube, ich warte lieber hier. Ich will nicht … äh … stören.« Schon gar nicht wenn er mit den Eltern redete.
Sie wirkte enttäuscht und sah einen Augenblick lang so traurig aus wie der Friedhof. Neben einem Büschel sehr hohen gelben Grases und einem Grabstein aus Marmor auf der anderen Seite glühte ihr Kopftuch in grellem Rot. »Du hast recht«, murmelte sie. »Bin gleich wieder da.«
Als sie ging, rief ich ihr nach: »Silla?«
Mit einem leisen Lachen drehte sie sich noch mal um. »Nick?«
»Pass auf!« Ich hob den Kopf und suchte den Himmel ab. Silla verstand die Botschaft und ging schneller.
Silla
Der Friedhof war von kühlen Pink- und Grautönen überflutet, weil die untergehende Sonne sich in den dahinjagenden Wolken spiegelte. Das war meine Lieblingszeit auf dem Friedhof, zu der ich auch zum ersten Mal das Zauberbuch aufgeschlagen und das erste Blatt ins Leben zurückgerufen hatte.
Die schattenreiche Zwischenzeit schien für die Magie besonders geeignet zu sein.
Ich ging langsam zu Reese, weil ich ihn nicht stören wollte. Außerdem war ich neugierig. Soweit ich wusste, war er noch nie allein hierhergekommen. Deshalb ging ich vorsichtig durch das welke Laub und das trockene Gras.
Er kauerte vor ihren Gräbern und ließ den Kopf hängen. Die Ellbogen hatte er auf die Knie gestützt und die Hände baumelten zwischen seinen Beinen. Beim Anblick seiner angespannten Schultern und seiner geschlossenen Augen wurde mir schwer ums Herz. So verletzlich hatte ich ihn noch nie gesehen. Still und gebeugt wie die Statue eines Trauerengels kniete er da. Ich blieb stehen und starrte meinen Bruder von hinten mit wehem Herzen an. Der Wind kitzelte mein Gesicht und schüttelte die Bäume. Abendfrösche und Zikaden fingen an zu singen und traten in höchsten Tönen gegeneinander an. Feuchte Vorfreude hing in der Luft und versprach Regen in der Nacht. Reese rührte sich immer noch nicht. Nicht einmal als die kühle Brise seine dunklen Haare zerzauste.
»Reese?«, rief ich leise und legte eine Hand auf das mächtige Steinkreuz neben mir.
Er stand in einer einzigen geschmeidigen Bewegung auf. »Hey? Ist es soweit?«
Ich nickte und ging zu ihm, um seine Hand zu halten. »Du musst dich mal wieder rasieren«, sagte ich.
Er zog den Mundwinkel hoch. »Vielen Dank, Sil.«
»Mom hätte das nicht lange mitangesehen, dass du dich gehen lässt.« Ich senkte den Blick auf seine Brust, weil ich es nicht ertrug, ihm in die traurigen Augen zu sehen.
»Deine Frisur hätte ihr aber auch nicht gefallen.« Reese zog mich etwas grob in seine Arme. »Vielleicht sollten wir hier weggehen, wenn das alles vorbei ist.«
»Weggehen? Aus Yaleylah?« Ich verschränkte die Hände hinter seinem Rücken.
»Ja. Ich muss langsam aufs College und du könntest mitkommen. «
»Ich möchte aber nicht in Manhattan, Kansas, wohnen. Im Little Apple«, neckte ich ihn. Dann schloss ich die Augen und tat so, als würden wir uns in der Küche unterhalten und Mom und Dad würden uns zuhören. Meine Mutter würde spielerisch an meinen Haaren ziehen, weil ich mich über meinen Bruder lustig machte, und Dad würde beim Korrigieren der Lateinhausaufgaben vor sich hin lächeln.
Doch Reese reagierte nicht wie auf einen Witz. Er seufzte. Als seine Rippen sich weiteten, drückten sie gegen meine Arme. »Es muss ja nicht der K-Staat sein. Wir können irgendwohin gehen, wo du auch glücklich sein kannst. Wo du ein gutes Abschlussjahr verbringen könntest, weit weg von all dem hier. Neu anfangen.«
Ich dachte an Nick. Ich wollte nirgends hingehen, wo ich ihn nicht küssen konnte. Andererseits würde er im Mai seinen Abschluss machen und losziehen, um seine Mutter zu suchen. Ich hatte keinen Schimmer, wie es mit uns weitergehen würde. Oder mit mir. Ich drückte mein Gesicht an Reeses Schulter. »Vielleicht nach Chicago«, murmelte ich. »Judy hat da immer noch eine Wohnung.«
»Stimmt. Ist auch egal, Hauptsache weg hier, finde ich.«
Sein rauer Tonfall veranlasste mich, mich ein wenig
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