Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Gratton, T: Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Blood Magic # 1
zu lösen und ihn anzusehen. Er schaute böse zu Boden, und es tat mir in der Seele weh, als ich in seinen Augen Tränen glitzern sah.
Er sah mich an und wandte dann den Blick ab. »Hier ist alles tot, Silla.«
»Aber wir sind es nicht.« Ich nahm seine Hände und drückte sie, obwohl mir jetzt selbst die Tränen kamen.
43
August 1972
Er gibt nicht auf. »Mir reicht’s«, hat er gesagt. »Ich möchte wissen, wie es ist, wenn man in den Spiegel sieht und den Haaren und dem Gesicht die Jahre ansieht, die man in seiner Seele trägt.« Philip ist melodramatisch. Er küsste mich. »Josephine, wir sind jetzt seit siebzig Jahren zusammen und haben ein wildes Leben geführt. Eine ganze menschliche Lebensspanne lang. Und was haben wir vorzuzeigen? Nichts. Niemand weiß, was wir tun oder wer wir sind. Wer wird sich an uns erinnern?«
»Ich bin glücklich. Es kümmert mich nicht, ob sich in der Zukunft jemand an uns erinnert – weil ich ohnehin dabei sein werde.«
»Hör mit mir auf, den Auferstehungstrank zu nehmen. Lass es zu, dass unsere Körper ihren eigenen natürlichen Rhythmus wieder aufnehmen. Ich werde dich heiraten. Wir könnten Kinder bekommen, Josie. Wäre das nicht wundervoll? Ein solches Leben bringt seine eigene Magie mit sich. Eine bessere Magie.«
»Ich will nicht sterben, Philip. Ich möchte keine grauen Haare kriegen, und ich will nicht, dass mir die Knochen wehtun.«
»Aber Kinder. Ich glaube … « Er machte eine Pause und ich weiß nicht, ob das stimmt, was er dann sagte. »Ich glaube, wir würden gute Kinder zeugen.«
Ich seufzte. Er wird seine Meinung ändern, wenn er aus diesem Stimmungstief herauskommt. Bei Philip geht es immer auf und ab, rauf und runter.
Ich werde mit dem Diakon frisches Carmot herstellen, auch
wenn Philip sich weigert. Und danach werde ich es ihm in eine Chinapfanne mischen. Die Sojasoße passt gut zum Ingwer.
Wir werden beide ewig leben, und zwar zusammen. Alles andere ist mir gleichgültig.
44
Nicholas
Ich saß auf der Mauer und hatte die Ellbogen auf die Knie gestützt. Der raue Stein scheuerte an meinem Hintern. Es war kalt. In dem Versuch, es mir bequemer zu machen, verlagerte ich das Gewicht.
Alles war so grau in grau. In der Ferne war der Wald an unserem Haus ein dunkelgrauer Klecks vor einem etwas hellgraueren Himmel. So wie ein Wald aus Dornen rund um das Schloss in einem dämlichen Märchen. Nur dass in diesem Schloss keine Märchenprinzessin wohnte. Im Gegenteil, es war die Heimat der bösen Stiefmutter. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Es würde ein Kraftakt werden, Lilith mit den Tatsachen zu konfrontieren. Wie sollte ich das bloß anstellen, nachdem wir diese Schutzamulette hergestellt hatten? Das Einzige, was ich mit Sicherheit wusste, war, dass es meinen Vater umbringen würde, wenn er erführe, dass er mit noch einer verrückten Hexe geschlafen hatte. Ausnahmsweise war ich von der Vorstellung nicht sonderlich begeistert.
Ich ging so darin auf, die dunklen Bäume anzustarren und an Liliths spitze Fingernägel zu denken und daran, ob sie uns wohl je in Ruhe lassen und verschwinden würde, dass ich nicht hörte, wie sie sich anschlich.
Das Knistern des Grases warnte mich. Als mich umdrehen wollte, weil ich Grandma Judy erwartete, spürte ich auf einmal ein kaltes Messer am Hals.
Mit der Hand drückte sie mir die Kehle zu. »Hallo Nicky«, sagte sie. Ihr Atem hauchte warm über meine Haut. »Das passt aber gut, was?«
»Josephine«, sagte ich. Mir war eiskalt. Als die Klinge sich in meinen Hals bohrte, biss ich die Zähne aufeinander und ballte die Fäuste. Ich wäre so gern weggelaufen!
»Sehr gut!«
Das war nicht Liliths Stimme. Als sie den Kopf neigte, fielen mir ihre goldenen Locken vor die Augen. Sie bohrte mir weiter den Dolch in die Haut und benutzte meine Schulter, um über die Friedhofsmauer zu klettern.
Es war Mrs Tripp. Mit der Lederjacke und der hautengen Jeans sah sie jünger aus. Sie grinste. »Überraschung!«
Ich schluckte und durch die Bewegung sank die Klinge tiefer ein. Der Schmerz schoss bis in meine Brust und ich spürte, wie das erste blutige Rinnsal meinen Kragen traf. »Was willst du?«
»Dich bestimmt nicht.« Sie rollte mit den Augen. »Aber das, was ich will, kriege ich leichter, wenn du keine Schwierigkeiten machst.« Sie steckte die freie Hand in ihre Jackentasche.
Jetzt oder nie. Ich schlug ihren Arm weg.
Das Messer schnitt schmerzhaft ein, als es ihr aus der Hand flog. Überrumpelt wich Josephine zurück,
Weitere Kostenlose Bücher