Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Gratton, T: Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Blood Magic # 1
Dreiecke und Pentagramme, Quadrate und Achtecke sowie siebenarmige Sterne. Am Seitenrand hatte Dad winzige Bemerkungen in Latein und lange Listen mit Inhaltsstoffen notiert.
Salz kam in all diesen Listen vor, sowie bekannte Sachen wie Ingwer, Wachs, Fingernägel, Spiegelscherben, Hühnerkrallen, Katzenzähne und bunte Bändchen. Aber ich fand auch Wörter, die ich nicht kannte, wie Carmot, Odermennig und Speick.
Und Blut. Jede Liste beinhaltete einen Blutstropfen.
Das Buch verzeichnete Zaubersprüche, um Verlorenes wiederzufinden, Neugeborene zu segnen und Flüche abzuwenden. Zaubersprüche als Schutz gegen das Böse. Um über weite Entfernungen zu sehen, die Zukunft vorherzusagen und alle Arten von Krankheiten und Verletzungen zu heilen.
Staunend und voller Angst blätterte ich weiter. Doch ich
spürte auch eine gewisse Aufregung, die wie Elektrizität prickelte. Konnte das wirklich wahr sein? Es passte nicht zu Dad, sich ausgeklügelte Tricks auszudenken, und trotz seiner Vorliebe für alte Bücher und Heldensagen war er nie versponnen gewesen.
Es musste einen Zauberspruch geben, den ich ausprobieren konnte. Ich wollte es wissen, wollte es mit eigenen Augen sehen.
Als ich darüber nachdachte, kroch mir der Geruch wieder in den Hals, der Geruch von Blut. Er klebte in meinen Nasenhöhlen und kroch wie dichter Rauch meine Speiseröhre hinunter.
Ich hob das Buch an meine Nase und nahm einen langen, reinigenden Atemzug. Dabei stellte ich mir vor, ich könnte ihn in dem Buch riechen. Meinen Vater.
Nicht das viele Blut, das sein Hemd und den Teppich unter seiner Leiche getränkt hatte, sondern seinen leicht öligen Rauch-Seife-Duft, wenn er morgens nach dem Duschen und einer schnellen Zigarette zum Frühstück auf die hintere Terrasse kam. Ich ließ das Buch wieder in den Schoß sinken und schloss die Augen, bis Dad da war und vor mir saß. Die eine Hand hatte er auf mein rechtes Knie gelegt.
Als ich klein war, kam er immer kurz vorm Schlafengehen in mein Zimmer und berührte mein Knie, wenn er sich aufs Bett setzte. Die Schwerkraft zog mich immer mehr zu ihm hin, bis ich den Kopf an seine Schulter lehnen oder auf seinen Schoß krabbeln konnte, während er mir kindgerechte Versionen literarischer Klassiker erzählte. Am liebsten hörte ich Frankenstein und Was ihr wollt , davon konnte ich gar nicht genug kriegen.
Auf dem Friedhof krächzte die nächste Krähe, ein einsamer Vogel, der langsam hinter seinen Verwandten her flog.
Ich hob das Buch mit beiden Händen hoch, schlug es an
einer beliebigen Stelle auf und sah mir den Zauberspruch an: Erneuerung .
Er sollte Leben bringen, bei sorgfältiger Anwendung auf entzündetem oder abgestorbenem Fleisch. Oder Pflanzen länger Kraft verleihen.
Das Diagramm sah aus wie eine Spirale in einem Kreis, die sich wie eine Schlange zur Mitte hin eindrehte. Ich brauchte nur Salz, Blut und Atem. Nichts leichter als das.
Mit einem Stock zog ich einen Kreis in die Friedhofserde. Dann holte ich eine Schachtel mit koscherem Salz aus der Plastiktüte, die ich in der Küche mit den dort vorhandenen Ingredienzien vollgepackt hatte. Die Salzkristalle glitzerten zwischen den dünnen Grashalmen, nachdem ich sie im Kreis verstreut hatte. Setze den Gegenstand in die Mitte des Kreises , hatte Dad geschrieben.
Ich kaute auf der Innenseite meiner Unterlippe. Ich war nirgends verletzt und hatte nichts Abgestorbenes vorzuweisen. Und für Blumen war der Herbst zu weit fortgeschritten.
Doch am Fuß des Grabsteins gegenüber lag ein kleiner Haufen welken Laubs, aus dem ich mir ein schönes Blatt aussuchte. Als ich wieder saß, legte ich das schrumpelige Ahornblatt sanft in die Mitte des Kreises. Die Ränder waren schwarz und gewellt, aber in den Adern waren noch rote Linien zu erkennen. Die Bäume in der Umgebung hatten erst wenige Blätter verloren, sodass dieses hier wahrscheinlich noch aus dem letzten Jahr stammte. Es hatte eine Menge Zeit auf dem Friedhof verbracht.
Jetzt kam der schwierige Teil. Ich kramte mein Taschenmesser aus der Hosentasche und klappte das Messer auf. Als ich die Spitze an meinen linken Daumen gesetzt hatte, zögerte ich.
Bei der Vorstellung, wie weh es tun würde, bekam ich Bauchschmerzen. Und wenn dieses Zauberbuch nur ein Witz
war? Ich war verrückt, so etwas auch nur zu versuchen! Das konnte doch alles gar nicht sein. Es gab keine Magie.
Doch da stand es Schwarz auf Weiß in Dads Handschrift und so eine Gemeinheit traute ich ihm nicht zu. Und wahnsinnig war er
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