Blood Romance 03 - Bittersuesse Erinnerung
hinein, versuchte Klarheit zu finden, den Ratschlägen seines Herzens zu folgen, hoffte auf eine Antwort. Aber ihm war, als redeten von dort viele unterschiedliche Stimmen auf ihn ein und jede riete ihm etwas anderes ... Schließlich nahm er Emilias Gesicht in beide Hände.
»Morgen Nacht, Emilia. Morgen Nacht komme ich wieder, lass mir bis dahin Zeit.«
Emilia sah ihm eindringlich in die Augen. »Ich weiß, wofür du dich entscheiden wirst«, sagte sie lächelnd und mit fester Stimme.
Als Dustin Emilias Zimmer verließ, war sein Kopf voll von großen Worten und mächtigen Bildern und sein Geist berauscht von der Vorstellung von Ewigkeit und Unsterblichkeit. So lag er diese Nacht Stunde um Stunde wach, zählte die Glockenschläge der Kirche im benachbarten Dorf und versuchte, seine Gedanken zu sortieren. Aber es gelang ihm nicht und selbst am nächsten Tag flatterten sie noch genauso ruhelos in ihm durcheinander. Gedanken über die Liebe, über Zeit, über Ewigkeit ... Immer wieder sah er Emilias anmutige Gestalt vor sich, ihr Lächeln, ihre Augen und ihren fernen Blick, der ihn bereits vom ersten Tag an in seinen Bann gezogen, ihm schon damals für ein paar Sekunden Einblick verschafft hatte in die Ewigkeit, in ein Leben ohne Ende und Grenzen.
Emilia hatte sich ihm anvertraut, hatte behauptet, ihn zu lieben, wollte durch ihn wieder Mensch werden. Sie war sich sicher, glaubte es zumindest. Aber woher nahm sie diese Sicherheit? Sie war erst sechzehn gewesen, als man ihr ihre Sterblichkeit genommen hatte. Und was war mit seinen eigenen Gefühlen für sie? Liebte er sie so sehr, dass er imstande war, sie zurückzuholen? Oder war es gerade ihr geheimnisumwobenes, entrücktes und schwermütiges Wesen, das ihn in seinen Bann gezogen hatte? Diese Weite und Unendlichkeit in ihrem Blick ... Dieses Gefühl, durch sie vor seinen Ängsten flüchten zu können ...
Endlich, ganz langsam, beruhigte sich das Durcheinander in Dustin. Sein Herz schlug nicht mehr so wild, das Rauschen in seinen Ohren ließ allmählich nach und mit jeder weiteren Sekunde, die er sich Emilia vor Augen rief, formte sich wie von selbst eine Entscheidung in ihm. Und als es schließlich Abend wurde und sich die Dunkelheit um Montebello legte, wusste Dustin, was er tun würde.
Er wollte Emilia sein Blut geben, denn egal was auch passierte, sie beide hatten dadurch nichts zu verlieren. Würde Emilia tatsächlich als Mensch neben ihm erwachen, so hatten sie beide die wunderbare Gewissheit, füreinander bestimmt zu sein. Misslang ihre Rückverwandlung, so hätte Emilia zwar nicht das, wonach sie sich im Moment sehnte, aber es würde sich auch nichts zum Schlimmeren für sie wenden. Sie würde weiterhin unsterblich sein. Und was ihn in diesem Fall betraf - Dustins Herz hämmerte bei der Vorstellung vor Aufregung und Verlangen gegen seine Brust - so würde sich ihm eine Welt erschließen, wie er sie sich schon immer erträumt hatte. Er könnte ein Leben ohne Angst vor dem Ende führen, ohne den Tod und seine heimtückischen Angriffe im Rücken. Dustin wäre tatsächlich stärker als er, würde der ewige Sieger sein, sich niemals wie sein Großvater von ihm überführen lassen. Er wäre mächtig und unangreifbar und frei bis in alle Ewigkeit.
Gestärkt und voller Hoffnung und diesen letzten kostbaren, vielversprechenden Gedanken wie ein Schatz in sich verborgen, machte sich Dustin gegen Mitternacht auf zu Emilia.
Sarah hatte ihn nicht in seinem Zimmer im ersten Stock des Westtraktes gefunden. Nun blieb ihr nur noch der Neubau, auch wenn sie sich nicht vorstellen konnte, dass Dustin sich dort aufhielt. Andererseits ... Vielleicht war er auf Mays Zimmer, vielleicht hatte er sie noch einmal aufsuchen wollen, um mit ihr zu sprechen, vielleicht hatte May ihn irgendwo dort ... eingesperrt. Sarah schloss die Augen, um sich zu sammeln und Kraft zu schöpfen, und plötzlich sah sie Dustins Gesicht vor sich, seine dunklen Augen, sein Lächeln, mit dem er so sparsam umging und das ihr jedes Mal ein wohliges Gefühl, ein zärtliches Kribbeln verursachte, wenn er es ihr schenkte. Ihr war, als stünde Dustin tatsächlich vor ihr und als wollte er ihr mit seinem Lächeln Mut machen. Sarah wurde warm ums Herz und sie merkte, wie sie nach und nach ihrre Unsicherheit verlor und an Zuversicht und Stärke gewann.
Sie blinzelte und lief weiter in Richtung Neubau. Schritt für Schritt wurde sie wacher und ihre Sinne schärften sich. Sie würde Dustin finden, sie würden sich
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