Blood Romance 04 - Ruf der Ewigkeit
sie seid in Wahrheit füreinander bestimmt und nur deshalb hat ihr Blut mich nicht in einen eigenständigen Menschen zurückverwandelt. Wir beide wissen es im Moment noch nicht ... Aber was auch geschieht, überlege Dir, wem Du beistehst, falls es zu einem alles entscheidenden Kampf zwischen Emilia und mir kommt. Überlege es Dir genau ...
D.
Jonathan schluckte und seine Hände zitterten vor Nervosität. Er las den Brief, den er aus seinem Postfach gefischt hatte, ein zweites, dann ein drittes Mal. Eine Mischung aus Fassungslosigkeit, Entsetzen und Wut braute sich in ihm zusammen. Hier hielt er ihn nun also in Händen: den Beweis dafür, dass seine und Mays Annahme stimmte. Dustin, dieser skrupellose Scheißkerl, hatte Sarahs Blut getrunken und auf diese Weise seine Menschlichkeit zurückerlangt - wenn er auch kein eigenständiges Herz besaß, sondern von Sarahs Existenz und ihrem Leben profitierte. Wie eine Krankheit, ein böses Geschwür, ein mieser, unersättlicher Parasit, dachte Jonathan verbittert.
Er überflog die Zeilen noch einmal. Dustin drückte an keiner Stelle Verwunderung über seinen und Sarahs eigenartigen Zustand aus. Wahrscheinlich war ihm im Gegensatz zu Jonathan und May klar, was es damit auf sich hatte, und er hatte sich seine Menschlichkeit wissentlich und mit voller Absicht auf Sarahs Kosten erschlichen. Und jetzt nutzte er Jonathans Gefühle für Sarah aus und konnte geschickt trumpfen.
Du liebst sie doch noch immer, nicht wahr? Du hoffst immer noch darauf, mit ihr glücklich zu werden. Wer weiß, vielleicht hast Du sogar recht und Ihr gehört zusammen ...
»Verdammt!« Jonathan schleuderte den Brief in eine Ecke. Dustins heuchlerischer, spöttischer Ton sprang ihm aus diesen Zeilen geradezu entgegen. Und dennoch - er hatte keine andere Wahl. Er durfte es nicht riskieren, Dustin anzugreifen, wenn er Sarah nicht gefährden wollte. Er hatte schließlich mit eigenen Augen gesehen, wie Sarah blutend und vollkommen geschwächt am Boden gelegen hatte, nachdem er Dustin verletzt hatte.
Ja, Dustin hatte es tatsächlich geschafft, ihn in die Ecke zu drängen. Er hatte gewonnen - für dieses Mal. Jonathan würde ihm nichts antun, jedenfalls nicht, solange er keinen hilfreichen Hinweis von George erhalten hatte.
Ein anderes Problem war Emilia. Dustin war nicht grundlos zurückgekehrt. Er hatte vor, Emilia zu überführen und unschädlich zu machen. Dieser Narr! Er würde es niemals schaffen, sie zu besiegen, egal wie raffiniert er auch vorging. Emilia war zu gerissen, als dass sie sich von ihm übers Ohr hauen lassen würde. Noch dazu, wo Dustin nun wieder sterblich war und seine besonderen Fähigkeiten verloren hatte.
In Jonathan drehte sich alles. Er bückte sich und hob Dustins Brief wieder auf. Es gab keinen Absender, keinen Vermerk, der verriet, wo sich Dustin derzeit befand. Jonathan musste seinen Unterschlupf auf anderem Wege ausfindig machen. Er konnte diese verzwickte Situation nicht mehr allein bewältigen. Er brauchte jemanden, der ihm half, und zwar schnell.
»Was ... wollen Sie hier?«, presste Sarah hervor und drückte sich gegen die Flurwand. Augenblicklich wurde ihr so kalt, dass sie die Arme zitternd um ihren Körper schlang. So wie schon damals, erinnerte sie sich, als diese Frau sie und Jonathan vor dem Haus nach dem Weg gefragt hatte. Heute trug sie ihre roten Haare jedoch nicht zu einer eleganten Frisur hochgesteckt, sondern als lockeren Seitenzopf. Dennoch hatte Sarah sie auf Anhieb wiedererkannt. Eine derart auffällige Erscheinung wie sie vergaß man nicht so schnell.
Die Dame lächelte süßlich. »Ich dachte, ich komme dich einfach mal besuchen«, flötete sie. »Wir hatten damals leider nicht genügend Zeit, uns zu unterhalten, und dein Freund wollte mich loswerden, aber ... ich habe vom ersten Augenblick an gespürt, dass du noch interessant für mich werden könntest. Und ... dass wir beide uns besser kennenlernen sollten.« Die Frau machte einen Schritt auf Sarah zu.
»Gehen Sie bitte, verlassen Sie sofort unser Haus und lassen Sie mich in Frieden, sonst rufe ich die Polizei.«
»Ruhig, ganz ruhig, Schätzchen, es gibt keinen Grund, sich aufzuregen. Du kannst mich übrigens duzen, das nimmt vielleicht ein wenig die Spannung aus dieser für dich zweifellos verwirrenden Situation. Ich bin zwar ein paar Jährchen älter als du, aber was spielt Zeit schon für eine Rolle, nicht wahr ... Sarah?« Die Frau blickte Sarah erwartungsvoll an, aber nachdem keine Reaktion
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