Blood Shot
Darlehen streckte und verlängerte, wenn langjährigen Kunden harte Zeiten bevorstanden. »Wir haben keinen richtigen Jahresbericht, weil wir eine Privatbank sind«, schloß er. »Aber Sie können sich die letzte Jahresübersicht ansehen, wenn Sie wollen.«
»Ich bin eigentlich nur an den Vorstandsmitgliedern interessiert«, sagte ich.
»Selbstverständlich.« Er wühlte in einer Schublade und zog einen Stapel Papiere hervor. »Die Übersicht wollen Sie wirklich nicht sehen? Wenn Sie daran denken zu investieren, kann ich Ihnen versichern, daß die Aussichten hier nach wie vor sehr gut sind, trotz der Stillegung einiger Fabriken in der Gegend.«
Hätte ich ein paar tausend Dollar erübrigen können, hätte ich mich verpflichtet gefühlt, sie dieser Bank anzuvertrauen, so peinlich war mir das Ganze. Ich murmelte irgend etwas Unverbindliches und nahm die Vorstandsliste, die er mir reichte. Dreizehn Namen standen darauf, aber nur einer war mir bekannt: Gustav Humboldt.
O ja, erklärte mir mein Informant stolz, Mr. Humboldt sei seit den vierziger Jahren im Vorstand, als er hier in der Gegend seine ersten Geschäfte machte. Und als seine Firma eine der größten der Welt geworden war und er in den Vorstand unzähliger wichtiger Betriebe berufen wurde, sei er dem Ironworker-Vorstand treu geblieben. »Mr. Humboldt hat in den letzten fünfzehn Jahren nur acht Vorstandssitzungen versäumt«, endete er.
Ich brummte etwas, das als Respektsbezeigung für das Engagement des großen Mannes gelten konnte. Die Sache nahm allmählich deutlichere Konturen an. Es gab irgendein Problem mit der Versicherung der Xerxes-Belegschaft, das Humboldt auf keinen Fall bekannt werden lassen wollte. Mir war nicht klar, was es mit dem Prozeß oder dem Tod von Ferraro und Pankowski zu tun hatte, aber vielleicht wußte Chigwell, was die Versicherungsunterlagen, die ich gefunden hatte, bedeuteten, vielleicht würden seine Notizen es enthüllen. Über diesen Teil der Geschichte machte ich mir keine großen Gedanken. Es war vielmehr Humboldts persönliche Rolle bei der Sache, die mich beunruhigte. Ich hatte es satt, von ihm herumgestoßen zu werden. Es war an der Zeit, ihn direkt zu konfrontieren. Ich verabschiedete mich von dem hoffnungsfrohen Bankangestellten und fuhr in Richtung Loop.
Ich war nicht in der Stimmung, lange nach einem billigen Parkplatz zu suchen und stellte den Wagen auf dem Privatparkplatz neben dem Humboldt Building ab. Vor dem Rückspiegel kämmte ich mir noch schnell das Haar, dann stürmte ich mitten hinein in den Schlupfwinkel des Hais.
Das Humboldt Building beherbergte den Hauptsitz der weitverzweigten Firma. Wie bei vielen Industriekonglomeraten wurden die wichtigen Geschäfte in den verschiedenen über dem Globus verteilten Werken abgewickelt. Es war also nicht weiter verwunderlich, daß sich der Hauptsitz der Gesellschaft in fünfundzwanzig Stockwerke quetschen ließ. Es war ein strikt funktionales Gebäude, keine Bäume oder Skulpturen in der Eingangshalle. Der Boden war mit den zweckmäßigen Fliesen belegt, die man in jedem Wolkenkratzer fand, bevor Helmut Jahn und seine Freunde damit begannen, solche Eingangshallen in marmorverkleidete Innenhöfe umzuwandeln. Auf der altmodischen schwarzen Tafel wurde Humboldt nicht aufgeführt, aber ich erfuhr, daß sich seine Büros im zweiundzwanzigsten Stock befanden. Ich betrat durch eine Bronzetür einen der Aufzüge und ließ mich langsam nach oben fahren.
Der Flur oben war streng und nüchtern gestaltet, aber man bemerkte doch einen Unterschied zum Erdgeschoß. Die untere Hälfte der Wände war mit dunklem Holz getäfelt, der Boden und die Wände über der Vertäfelung waren mit grünem Teppich belegt. In einer Reihe hingen gerahmte Drucke, die mittelalterliche Alchimisten mit Destillierkolben, Kröten und Fledermäusen darstellten.
Ich ging auf eine offene Tür zu meiner Rechten zu. Jenseits der Tür waren Wände und Boden ebenfalls mit grünem Teppich belegt. Aus poliertem Edelholz im gleichen Ton wie die Vertäfelung war der Schreibtisch, an dem eine Frau saß. Vor ihr mehrere Telefone und ein Computer. Auch sie wirkte tadellos poliert, das dunkle Haar zu einem weichen Knoten gebunden, riesige Perlen in ihren muschelförmigen Ohren. Sie wandte sich mir zu und grüßte mich mit lang geübter Höflichkeit.
»Ich möchte Gustav Humboldt sprechen«, sagte ich und versuchte möglichst viel Autorität in meine Stimme zu legen.
»Aha. Würden Sie mir bitte Ihren Namen
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