Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blood Shot

Blood Shot

Titel: Blood Shot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
Vom Netzwerk:
ein langer, frustrierender Tag. Lotty war schon weg, als ich erwachte -sie macht erst Krankenbesuche im Beth Israel, bevor sie ihre Praxis um halb neun öffnet. Sie hatte mir eine Nachricht hinterlassen, die besagte, daß sie sich, nachdem ich zu Bett gegangen war, Chigwells Notizen angesehen habe, sich aber nicht hundertprozentig sicher sei, wie sie die Blutwerte, die er aufgezeichnet hatte, interpretieren solle. Sie habe die Tagebücher mitgenommen, um sie einem Freund zu zeigen, einem Nephrologen.
    Ich rief Mr. Contreras an. Er berichtete von einer ruhigen Nacht, meinte aber, daß Art junior allmählich ungeduldig werde. Er hatte ihm seinen Rasierapparat und Unterwäsche geliehen, wußte aber nicht, wie lange er den Jungen noch in der Wohnung halten konnte.
    »Wenn er will, soll er gehen«, sagte ich. »Er war derjenige, der um Schutz gebeten hat. Ist mir ziemlich egal, wenn er jetzt schon genug davon hat.« Dann sagte ich, daß ich vorbeikäme, um einen kleinen Koffer zu packen, weil ich so lange bei Lotty bleiben wollte, bis ich mich vor mitternächtlichen Eindringlingen sicher wußte.
    In meiner Wohnung duschte ich und zog mich um, anschließend ging ich zu Mr. Contreras. Die Anspannung der letzten Wochen hatte Spuren in Arts Gesicht hinterlassen. Oder es lag an den sechsunddreißig Stunden, die er in Mr. Contreras' Gesellschaft verbracht hatte.
    »Haben Sie - was haben Sie unternommen?« Seine unsichere Stimme war nur noch ein armseliges Flüstern.
    »Bevor ich nicht mit Ihrem Vater gesprochen habe, kann ich nichts unternehmen. Sie können mir zu einem Gespräch verhelfen. Ich weiß nicht, wie ich an seinen Leibwächtern vorbeikomme.«
    Der Vorschlag versetzte ihn in höchste Aufregung - er wollte nicht, daß sein Vater erfuhr, daß er bei mir Schutz gesucht hatte; das werde ihn erst richtig in die Bredouille bringen, sagte er. Vergeblich argumentierte und schmeichelte ich. Schließlich ließ ich es drauf ankommen und ging zur Tür.
    »Ich muß nur Ihre Mutter anrufen und ihr sagen, daß ich weiß, wo Sie sich aufhalten. Ich bin sicher, daß sie dafür sorgen wird, daß ich mich mit Ihrem Vater treffen kann, als Gegenleistung für die Information, daß ihr kleines Wickelkind heil und gesund ist.«
    »Verdammt noch mal, Warshawski«, kreischte er. »Sie wissen, ich will nicht, daß Sie mit ihr sprechen.«
    Mr. Contreras nahm Anstoß an den Flüchen und wollte dazwischen-fahren. Ich hob eine Hand und rettete Art.
    »Dann helfen Sie mir, mit Ihrem Vater in Verbindung zu treten.«
    Schließlich erklärte er sich zähneknirschend bereit, seinen Vater anzurufen und ihn um ein Treffen ohne Leibwächter am Buckingham-Brunnen zu bitten. Art sollte die Verabredung auf zwei Uhr nachmittags legen; ich würde um elf anrufen und nachfragen, ob es geklappt hatte. Als ich ging, hörte ich noch, wie Mr. Contreras Art schwere Vorwürfe machte, weil er mit mir so grob umgesprungen sei. Das war das einzige Mal an diesem Tag, daß ich lachte.
    Die Ironworkers Savings & Loan war die Bank meiner Eltern gewesen. Als ich ungefähr zehn war, hatte meine Mutter mir dort mein erstes Sparbuch eingerichtet, auf das ich geschenktes Geld und meine Babysittereinnahmen einzahlte, was meiner College-Ausbildung zugute kommen sollte. In meiner Erinnerung war es ein imposanter goldener Palast gewesen.
    Als ich auf das verrußte Gebäude Ecke Dreiundneunzigste Stra-ße/Commercial Avenue zuging, hatte ich den Eindruck, daß es im Lauf der Jahre geschrumpft war. Zweimal las ich den Namen über dem Eingang, um mich zu vergewissern, daß ich mich nicht in der Adresse geirrt hatte. Die einst ehrfurchtgebietende gewölbte Decke wirkte schmuddlig. Ich mußte auch nicht mehr auf Zehenspitzen stehen, um den Bankschalter zu erreichen, sondern überragte die junge Frau hinter dem Schalter, die eindeutig an Akne litt, um einiges.
    Sie wußte nichts von einem Jahresbericht, verwies mich dann aber gleichmütig an einen Angestellten im Hintergrund. Die windelweiche Geschichte, die ich mir ausgedacht hatte, um zu erklären, warum ich den Jahresbericht sehen wollte, erwies sich als überflüssig. Der Mann mittleren Alters, mit dem ich sprach, war nur zu glücklich über die Gelegenheit, sich mit jemandem unterhalten zu können, der sich für eine verfallende Spar- und Kreditanstalt interessierte. Er erläuterte mir ausführlich die in der Gemeinde herrschenden ethischen Werte, daß die Leute alles taten, um ihre kleinen Häuser instandzuhalten, und die Bank

Weitere Kostenlose Bücher