Blood Shot
einsetzte. Es war Peppy, der Retriever, der mir gemeinsam mit dem Nachbarn aus dem Erdgeschoß gehörte. Ich hielt ihr die Tür auf, aber sie wollte nicht hereinkommen, statt dessen tänzelte sie auf der kleinen Veranda herum und gab mir damit zu verstehen, daß wir perfektes Laufwetter hatten und ich mich doch bitte endlich in Bewegung setzen sollte.
»Na gut«, brummte ich, schaltete den Herd aus und ging ins Wohnzimmer, um meine Dehnübungen zu machen. Peppy verstand nicht, warum ich mich lockern mußte und nicht sofort nach dem Aufstehen startbereit war. Alle paar Minuten hörte ich ihr drohendes Bellen in meinem Rücken. Als ich schließlich in Trainingsanzug und Joggingschuhen auftauchte, raste sie die Treppe hinunter, blieb auf jedem Absatz stehen, um sich zu vergewissern, daß ich es mir nicht anders überlegt hatte. Und als ich das Tor zu dem kleinen Weg hinter dem Haus öffnete, japste sie ekstatisch, obwohl wir diesen Ausflug drei-, viermal pro Woche machten.
Wie immer lief ich ungefähr fünf Meilen. Da das zuviel für Peppy war, blieb sie, sobald wir den See erreichten, bei einem Brackwasserteich zurück und spürte Enten und Bisamratten auf, rollte sich im Schlamm oder in verfaulenden Fischen, wenn sie welche fand, und sprang mir mit weit heraushängender Zunge und selbstzufrieden grinsend entgegen, sobald ich zurückkam. Die letzte Meile nach Hause liefen wir immer langsam, und dann übergab ich sie meinem Nachbarn. Mr. Contreras schüttelte regelmäßig den Kopf, schimpfte uns aus, wenn sie mal wieder völlig verdreckt war, und verbrachte die nächste vergnügliche halbe Stunde damit, ihr glänzendes rotgoldenes Fell zu waschen.
Auch an diesem Morgen erwartete er uns. »Habt ihr beide euch gut amüsiert beim Laufen? Hoffentlich haben Sie den Hund nicht ins Wasser gelassen? Bei dieser Kälte sollte sie besser nicht naß werden, wissen Sie.«
Er stand in der Tür, bereit stundenlange Gespräche zu führen. Mr. Contreras war früher Maschinenschlosser gewesen, heute unterhält er sich, so gut es geht, mit dem Hund, seinen Kochkünsten und mir. Ich verabschiedete mich so schnell wie möglich, aber es war schon fast elf, als ich endlich geduscht hatte. Während ich mich im Schlafzimmer anzog, frühstückte ich nebenbei, wohl wissend, daß ich eine Entschuldigung nach der anderen finden würde, um nicht wieder aufstehen zu müssen, wenn ich mich mit einer Tasse Kaffee und der Zeitung hinsetzte. Das Geschirr stellte ich auf der Wäschekommode ab, dann wik-kelte ich mir einen Wollschal um den Hals, sammelte Tasche und Mantel im Flur auf, wo ich sie letzte Nacht hatte liegen lassen, und brach auf in Richtung Süden.
Der Wind peitschte den See; drei Meter hohe Wellen schlugen gegen das felsige Ufer, und Gischt spritzte bis auf die Straße. Angesichts dieses Schauspiels wütender, verachtungsvoller Natur fühlte ich mich klein und mickrig. Auf dem Weg nach Süden sprang mir jede Einzelheit des Verfalls ins Auge. Die Tore des alten South Shore Country Clubs, einst ein Symbol für Reichtum und Exklusivität dieser Gegend, schlossen nicht mehr, und die weiße Farbe blätterte ab. Als Kind hatte ich immer davon geträumt, als große Lady auf einem Pferd über die Privatwege des Clubs zu reiten. Jetzt war mir die Erinnerung an diese Phantasien etwas peinlich - der jugendliche Kastendünkel wog schwer auf meinen erwachsenen Schultern. Aber dem Club hätte ich ein besseres Los gewünscht, als langsam in den Händen der Bezirksstadträte, seinen gleichgültigen Besitzern, zu verrotten.
South Chicago sah aus, als wäre es dem Tode geweiht; hier schien die Zeit irgendwann in den Vierzigern stehengeblieben zu sein. Als ich durch das Geschäftsviertel fuhr, bemerkte ich, daß die meisten Läden jetzt spanische Namen trugen, obwohl sie noch genauso aussahen wie in meiner Kindheit. Rußiger Beton umrahmte noch immer Schaufenster, in denen geschmacklose weiße Kommunionkleider aus Nylon, Kunstlederschuhe und Plastikmöbel ausgestellt waren. Frauen in fadenscheinigen Wollmänteln trugen noch immer Kopftücher und stemmten sich gegen den Wind. An den Straßenecken, in der Nähe der allgegenwärtigen Stehausschänke standen schäbig gekleidete Männer und starrten ins Leere. Sie waren schon immer dagewesen, aber die hohe Arbeitslosenquote hatte ihre Zahl in die Höhe getrieben.
Der alte Schleichweg nach East Side war mir nicht mehr geläufig, und ich mußte umkehren und zur Fünfundneunzig-sten Straße zurückfahren, wo
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