Blood Shot
und warum ich jetzt meine Nase in Dinge stecke, die mich einen Dreck angehen. Danach war mir klar, daß es keinen Sinn hat, sie nach ihm zu fragen. Aber ich muß es wissen. Und du kannst es für mich herausfinden.«
»Caroline, vielleicht wäre es besser, wenn du es nicht wüßtest. Selbst wenn es mir gelingen sollte - mit vermißten Personen hab' ich nicht sehr viel Erfahrung -, ihn zu finden, wäre es um Louisas willen vielleicht besser, ihn nicht zu finden.«
»Du weißt, wer es ist, nicht wahr!« rief sie.
Ich schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung, Ehrenwort. Warum hast du das angenommen?«
Sie senkte den Kopf. »Ich bin sicher, daß sie es Gabriella erzählt hat. Und ich dachte vielleicht, daß Gabriella es dir gesagt hat.«
Ich stand auf und setzte mich neben sie. »Möglicherweise hat es Louisa meiner Mutter erzählt, aber wenn dem so war, dann gehörte es zu den Dingen, die ich Gabriellas Meinung nach nicht zu wissen brauchte. Gott ist mein Zeuge, ich weiß es nicht.«
Sie lächelte kurz. »Also wirst du ihn für mich suchen?«
Wenn ich sie nicht schon mein ganzes Leben lang gekannt hätte, wäre es leichter gewesen, nein zu sagen. Ich hatte mich auf Wirtschaftskriminalität spezialisiert; um vermißte Personen aufzuspüren, bedurfte es einer bestimmten Art von Geschicklichkeit und bestimmter Kontakte, die ich mir nie die Mühe gegeben hatte zu pflegen. Und dieser Typ war seit über einem Vierteljahrhundert verschwunden.
Aber abgesehen von der heulenden und hartnäckigen Anhänglichkeit, die Caroline dann zeigte, wenn ich sie nicht dabei haben wollte, hatte sie mich immer angehimmelt. Kam ich am Wochenende vom College nach Hause, rannte sie - die kupferroten Zöpfe flogen um ihren Kopf -mit ihren plumpen, schweren Beinen so schnell sie konnte zum Bahnhof, um mich abzuholen. Und nur weil ich Basketball spielte, tat sie es auch. Mit vier Jahren ertrank sie fast, als sie mir in den Michigansee nachlief. Und so weiter und so fort. Ihre blauen Augen blickten noch immer mit absolutem Vertrauen auf mich. Obwohl ich nicht wollte, konnte ich nicht umhin, sie zu fragen: »Hast du irgendeine Idee, wo man mit der Suche anfangen könnte?«
»Es muß jemand sein, der in East Side lebte. Sie war niemals woanders. Selbst auf dem Loop ist sie erst gewesen, als uns deine Mutter mitgenommen hat, um uns die Weihnachtsbäume und die Schaufenster zu zeigen. Und damals war ich schon drei.«
East Side war eine ausschließlich von Weißen bewohnte Gegend östlich von South Chicago. Von der Stadt durch den Calumet abgeschnitten, führten die Menschen dort ein beschränktes, ewig gleiches Leben. Louisa war in East Side aufgewachsen, und ihre Eltern wohnten noch immer dort.
»Das bringt uns einen großen Schritt weiter«, sagte ich aufmunternd. »Was meinst du, wie viele Leute dort 1960 gelebt haben? Zwanzigtausend? Und nur die Hälfte davon waren Männer. Und viele noch Kinder. Irgendeine andere Idee?«
»Nein«, antwortete sie trotzig. »Deswegen brauche ich ja einen Detektiv.«
Bevor ich etwas erwidern konnte, klingelte es. Caroline blickte auf ihre Armbanduhr. »Das ist bestimmt Tante Connie. Manchmal kommt sie noch so spät. Bin gleich zurück.«
Sie ging hinaus, und während ihrer Abwesenheit blätterte ich in einer Zeitschrift, die sich der Entsorgung von festem Müll widmete - ein ganzer Industriezweig mittlerweile -, und fragte mich, ob ich wirklich so verrückt wäre, Carolines Vater zu suchen. Ich starrte geistesabwesend auf das Bild einer riesigen Verbrennungsanlage, als sie zurückkam. Nancy Cleghorn war bei ihr, meine alte Mannschaftskameradin, die jetzt für SCRAP arbeitete.
»Hallo, Vic, tut mir leid, so reinzuplatzen, aber ich wollte Caroline schnell was Wichtiges berichten.«
Caroline sah mich entschuldigend an und bat mich, ein paar Minuten Geduld zu haben.
»Macht nichts«, sagte ich höflich und fragte mich, ob ich dazu verdammt sei, die ganze Nacht hier zu verbringen. »Soll ich euch alleinlassen?«
Nancy schüttelte den Kopf. »Nichts Privates, nur was Ärgerliches.«
Sie setzte sich und knöpfte ihren Mantel auf, unter dem sie jetzt ein braunes Kleid mit rotem Schal trug, und obwohl sie sich geschminkt hatte, sah sie wie immer zerzaust aus. »Ich kam an, bevor die Ver sammlung anfing. Ron wartete schon auf mich - Ron Kappelman, unser Anwalt«, fügte sie zu mir gewandt hinzu, »und dann stellten wir fest, daß wir nicht auf der Tagesordnung standen. Also ging Ron zu diesem fetten Trottel Martin
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