Blood Shot
versteh' nicht, warum ihr zwei Mädchen nicht geheiratet und eine Familie gegründet habt.«
»Vermutlich warten wir darauf, daß uns Männer wie Mr. Djiak über den Weg laufen.«
Sie sah mir ernst ins Gesicht. »Da liegt der Hase begraben. Ihr Mädchen denkt, das Leben ist romantisch wie im Film. Ein guter, zuverlässiger Mann, der jeden Freitag seine Lohntüte heimbringt, ist mehr wert als irgendwelche tollen Partys und Blumen.«
»War das auch Louisas Problem?« fragte ich leise.
Sie kniff die Lippen zusammen und wandte sich wieder dem Kaffee zu. »Louisa hatte andere Probleme«, sagte sie kurz angebunden.
»Was für welche?«
Vorsichtig nahm sie eine Zuckerdose aus dem Hängeschrank über dem Herd und stellte sie zusammen mit einem Milchkännchen in die Mitte des Tisches. Erst als sie Kaffee eingeschenkt hatte, sprach sie wieder. »Louisas Probleme sind längst vergessen. Abgesehen davon, gehen sie dich überhaupt nichts an.«
»Und was ist mit Caroline? Gehen sie sie auch nichts an?« Ich nippte an dem köstlichen Kaffee, den Mrs. Djiak immer noch auf alte europäische Weise aufbrühte.
»Sie gehen sie nichts an. Es wäre besser für sie, wenn sie endlich lernen würde, ihre Nase nicht immer in die Angelegenheiten anderer Leute zu stecken.«
»Louisas Vergangenheit ist für Caroline sehr wichtig. Louisa stirbt, und Caroline fühlt sich einsam. Sie möchte wissen, wer ihr Vater ist.«
»Und deswegen bist du hierher gekommen? Um ihr zu helfen, die alten Leichen noch mal auszugraben? Sie sollte sich dafür schämen, keinen Vater zu haben, statt mit aller Welt darüber zu reden.«
»Was soll sie denn tun?« fragte ich ungeduldig. »Sich umbringen, nur weil Louisa nie den Mann geheiratet hat, der sie schwängerte? Sie tun so, als wäre es einzig Louisas und Carolines Schuld. Louisa war damals sechzehn - fünfzehn, als sie schwanger wurde. Glauben Sie nicht, daß auch der Mann dafür verantwortlich war?«
Sie umklammerte die Kaffeetasse so fest, daß ich fürchtete, sie würde zerbrechen. »Männer - können sich manchmal nicht kontrollieren. Wir alle wissen das«, sagte sie langsam. »Louisa muß ihn verführt haben. Obwohl sie das niemals zugeben würde.«
»Ich möchte nur seinen Namen wissen«, sagte ich so gelassen wie möglich. »Meiner Meinung nach hat Caroline das Recht, zu erfahren, wer es war. Und das Recht, selbst festzustellen, ob die Familie ihres Vaters sie aufnehmen will.«
»Rechte!« sagte sie erbittert. »Carolines Rechte! Louisas Rechte! Was ist mit meinem Recht auf ein anständiges und friedliches Leben? Du bist genauso schlecht wie deine Mutter.«
»Sehr gut«, sagte ich. »Ein schöneres Kompliment konnten Sie mir gar nicht machen.«
In meinem Rücken drehte sich ein Schlüssel im Schloß der Hintertür. Martha wurde blaß und setzte ihre Kaffeetasse ab. »Sprich nicht davon in seiner Gegenwart«, sagte sie eindringlich. »Sag ihm, du hättest Louisa besucht und anschließend hier vorbeigeschaut. Versprich's mir, Victoria.«
Ich verzog das Gesicht. »Von mir aus, in Ordnung.«
Als Ed Djiak die Küche betrat, sagte Martha fröhlich: »Schau mal, wer uns besuchen gekommen ist? Die kleine Victoria von damals ist kaum mehr zu erkennen!«
Ed Djiak war riesig. Sein Körper war in die Länge gezogen wie auf einem Bild von Modigliani, von seinem langen, eingefallenen Gesicht bis zu den langen, baumelnden Fingern. Caroline und Louisa hatten die kurzen, breiten, angenehmen Züge von Martha geerbt. Ihr lebhaftes Temperament hatten sie von wer weiß wem.
»Soso, Victoria. Bist auf die Universität von Chicago gegangen, warst dir zu gut für deine alten Nachbarn, oder?« Er ächzte und stellte eine Tasche mit Lebensmitteln auf dem Tisch ab. »Ich hab' Äpfel und Schweinehack, aber die Bohnen sahen nicht gut aus, deswegen hab' ich keine gekauft.«
Martha packte rasch die Lebensmittel aus und verstaute sie. »Victoria und ich haben gerade Kaffee getrunken, Ed. Möchtest du auch eine Tasse?«
»Hältst du mich für eine alte Frau, die mitten am hellichten Tag Kaffee trinkt? Bring mir ein Bier.«
Er setzte sich ans Ende des schmalen Tisches. Martha ging zum Kühlschrank, der direkt neben ihm stand, und holte eine Flasche Pils aus dem untersten Fach, schenkte ihm vorsichtig ein und warf die Flasche in den Abfall.
»Ich war bei Louisa«, sagte ich zu ihm. »Es tut mir leid, daß es ihr so schlecht geht. Aber ihr Lebenswille ist beeindruckend.«
»Wir haben fünfundzwanzig Jahre für sie
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